Ein Gastbeitrag von Frank Biermann.
Wenn Münster richtig schuftet, kommt ein Überstundenberg heraus: Rund 7,2 Millionen Arbeitsstunden haben die Beschäftigten hier im vergangenen Jahr zusätzlich geleistet. Davon 3,9 Millionen Überstunden zum Nulltarif – ohne Bezahlung. Das geht aus dem „Überstunden-Monitor“ hervor, den das Pestel-Institut im Auftrag der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) auf Basis des Mikrozensus erstellt hat. Danach haben alle Beschäftigten den Münsteraner Unternehmen 97 Millionen Euro „geschenkt“.
Allein in Hotels und Gaststätten leisteten die Beschäftigten hier im vergangenen Jahr rund 204.000 Überstunden. Die Wissenschaftler*innen sind von bundesweiten Durchschnittswerten ausgegangen. Demnach waren 45 Prozent aller in Münster geleisteten Überstunden im Gastgewerbe unbezahlt. Für 2018 bedeutet dies – bei zwölf Euro Lohnkosten pro Stunde für den Arbeitgeber – ein „Lohn-Geschenk“ von einer Million Euro.
„Von der Küchenhilfe im Hotel bis zum*r Kellner*in im Biergarten: Wer im Gastgewerbe arbeitet, ist auf jeden Euro angewiesen. Dabei sind 55 Prozent dieser Arbeitsplätze in Münster Minijobs“, sagt NGG-Geschäftsführer Helge Adolphs. Das Problem der 450-Euro-Kräfte: Sie dürfen keinen Euro hinzuverdienen. „Also werden die Überstunden entweder gar nicht oder schwarz bezahlt – bar auf die Hand. Statt Minijobber mit 450 Euro abzuspeisen, sollte das Gastgewerbe endlich mehr Menschen regulär beschäftigen und ordentlich bezahlen“, fordert Adolphs.
Die NGG geht in Sachen Arbeitszeit jetzt in die Offensive: Sie stellt sich mit der Gastgewerbe-Kampagne „#fairdient“ hinter die rund 9800 Beschäftigten in den Hotels, Restaurants und Gaststätten in Münster. Denn ihnen stelle sich – über den verlorenen Lohn bei Umsonst-Überstunden hinaus – noch ein anderes Problem: Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) dränge die Bundesregierung, die Arbeitszeiten noch flexibler zu machen. „Es geht darum, das Arbeitszeitgesetz zu durchlöchern. Ziel der Arbeitgeber*innen ist es, die Höchstarbeitszeit auf bis zu 13 Stunden pro Tag auszuweiten“, kritisiert Adolphs.
Der Dehoga werde sich mit seinem Vorstoß „ein Eigentor schießen“, so die NGG. Denn das Hotel- und Gaststättengewerbe könnte durch eine weitere Flexibilisierung der Arbeitszeit an Attraktivität einbüßen. „Gerade junge Menschen werden dadurch verschreckt. Und das bei der – im Branchenvergleich – ohnehin schon besonders niedrigen Ausbildungsquote“, so Adolphs.
Der Beitrag ist zuerst erschienen in der Münsterschen Volkszeitung.
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