Ein Jahr nach dem Wohngipfel im Bundeskanzleramt hat sich auf den Wohnungsmärkten in Deutschland nichts geändert. Das kritisiert das Bündnis „Wohnen ist Menschenrecht“. „Mehr als eine Million bezahlbare Mietwohnungen fehlen, der Bestand an Sozialwohnungen schrumpft weiter, auf jetzt nur noch 1,18 Millionen. Die Mieten haben Rekordniveau erreicht, die Wohnkostenbelastung liegt für Einpersonenhaushalte bei 34 Prozent, für einkommensschwächere Haushalte bei 46 Prozent. Wohnen ist zum Armutsrisiko geworden. Die Angst vor Mietsteigerungen, Verdrängung und Kündigung wächst. Rund 650.000 Menschen sind sogar wohnungslos“, so fasst das Bündnis die Lage zusammen und schlägt Alarm: Ein „radikaler Kurswechsel in der Wohnungs- und Mietenpolitik“ sei nötig.
Erste Aktionen schon geplant
Erste Aktionen sind auch schon geplant: Für den 19. September soll eine Menschenkette zwischen Bundeskanzleramt und Bundesinnenministerium gebildet werden. Das Bündnis will damit ein Zeichen setzen, „damit die Bundesregierung endlich Wohnungsnot und Mietenwahnsinn wirksam bekämpft“. Das Bündnis ruft dazu alle Mieter*innen auf, mitzumachen. Treffpunkt und Kundgebung ist am 19. September 2019 um 14.45 Uhr am Washingtonplatz / Berliner Hauptbahnhof.
Im Oktober/November sollen dann an verschiedenen Orten in Deutschland Diskussionen zu unterschiedlichen Wohnthemen mit Betroffenen geführt werden. Dabei sollen Informations-Clips entstehen, die auf den Webseiten des Bündnisses https://www.menschenrecht-wohnen.org eingestellt werden.
„Gemeinsam gegen Spaltung, Verdrängung und Wohnungslosigkeit und für bezahlbaren Wohnraum für alle, statt mehr Rendite für wenige“
Das Bündnis wird bisher vom Deutschen Mieter*innenbund (DMB), dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB), dem Berliner Mieterverein (BMV), ver.di, der BAG Wohnungslosenhilfe (BAG W), der Nationalen Armutskonferenz (NAK), Attac, dem freien zusammenschluss von student*innenschaften (fzs), dem Netzwerk Mieten & Wohnen, Bizim Kiez, Mietentscheid Frankfurt und #ausspekuliert getragen.
Ziel des Bündnisses „Wohnen ist Menschenrecht“ ist es, „gemeinsam gegen Spaltung, Verdrängung und Wohnungslosigkeit und für bezahlbaren Wohnraum für alle, statt mehr Rendite für wenige, zu kämpfen“. Die Bundesregierung müsse „endlich umsteuern und eine Politik für Mieter*innen und Wohnungssuchende machen“, so das Bündnis.
Mehr Neubau für breite Schichten der Bevölkerung und mehr Mieter*innenschutz vor hohen Wohnkosten und Verdrängung gefordert
Ob der prekären Lage am Wohnungsmarkt ist der Forderungskatalog auch sehr lang: Das Bündnis „Wohnen ist Menschenrecht“ fordert deshalb mehr Neubau für breite Schichten der Bevölkerung und mehr Mieter*innenschutz vor hohen Wohnkosten und Verdrängung. Das heißt:
- Eine dauerhafte, bundesweit wirksame Mietpreisbremse für Bestandswohnungen ist zu schaffen, ohne Ausnahmen.
- Mietpreisüberhöhungen / Mietwucher müssen mit Bußgeldern verfolgt werden, das Wirtschaftsstrafgesetz ist so zu ändern, dass es wieder anwendbar ist.
- Mieterhöhungsmöglichkeiten sind drastisch einzuschränken.
- Mieterhöhungen aufgrund energetischer Modernisierungen sollen möglichst warmmietenneutral sein, die Umlage in der jetzigen Form ist abzuschaffen, zumindest aber auf 4 Prozent zu reduzieren.
- Die Klimaschutzziele von Paris müssen für den Gebäudebestand realisiert werden, die öffentliche Förderung muss um- und ausgebaut werden.
- Der Kündigungsschutz ist zu verbessern, Eigenbedarfsgründe sind einzuschränken. Die Nachzahlung von Mietschulden muss eine Kündigung – nicht nur die fristlose – unwirksam machen. Kündigungen wegen Vertragsverletzungen dürfen erst nach gerichtlicher Feststellung möglich werden.
- Soziale Träger müssen stärker vor Verdrängung geschützt werden, Mieter*innenrechte und eine wirksame Mietpreisbremse sind auch im gewerblichen Bereich zu schaffen.
- Zur Vermeidung von Wohnungsverlusten ist ein wirksames Präventionssystem erforderlich, Zwangsräumungen in die Wohnungslosigkeit müssen verhindert werden.
- Der soziale und preisgünstige Wohnungsneubau muss deutlich ausgeweitet werden. Bis zum Jahr 2030 ist der Bestand an Sozialmietwohnungen auf 2 Millionen zu erhöhen. Dazu müssen mindestens 150.000 preisgünstige und preisgebundene Wohnungen pro Jahr gebaut und zum Beispiel zusätzliche Preisbindungen über Ankauf und Modernisierung geschaffen werden. Ziel ist der Umbau der Fördersystematik hin zu langfristigen und dauerhaften Bindungen.
- Die Privatisierung von Wohnungen und Gebäuden der öffentlichen Hand ist auszuschließen. Die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen ist deutlich zu erschweren.
- Der Milieuschutz ist durch Mietobergrenzen zu stärken, die Ausnahmen vom Genehmigungsvorbehalt bei Umwandung in Eigentumswohnungen sind zu beseitigen und preislimitierte Vorkaufsrechte sind rechtssicher auszugestalten und auszuweiten.
- Bodenpreise und Bodennutzung sind zu regulieren und stärker an das Gemeinwohl zu binden. Grundstücke der öffentlichen Hand dürfen nicht zum Höchstpreis veräußert werden, sie müssen vorrangig an städtische Wohnungsunternehmen, Genossenschaften und gemeinwohlorientierte Wohnbauakteure auf Erbpachtbasis mit Konzept vergeben werden. Unbebautes Wohnbauland ist stärker zu besteuern, Baugebote müssen ausgesprochen und ausgeweitet werden.
- Gemeinwohlorientierte Eigentümer*innen und Vermieter*innen sind zu stärken und eine neue Wohnungsgemeinnützigkeit ist einzuführen.
- Immobilienbesitz ist transparent zu machen, entsprechende Register sind einzuführen.
- Diskriminierungen an den Wohnungsmärkten sind zu sanktionieren, mehr barrierefreier Wohnraum ist zu schaffen.
- Die Kosten der Unterkunft sind jährlich realitätsgerecht anzupassen. Das Gleiche gilt für das Wohngeld, hier müssen auch die Heizkosten berücksichtigt werden. (jgn)
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