Früher nannte man sie Informanten, heute heißen sie neudeutsch Whistleblower. Doch egal welchen Namen sie auch tragen, Journalisten brauchen sie wie der Hammerhai den Putzerfisch. Ohne mutige Menschen, die aufgrund ihres Insiderwissen, etwa über die illegalen Machenschaften des Arbeitgebers, mit den Medien Kontakt aufnehmen, wäre guter Journalismus unmöglich. Absolute Vortraulichkeit ist dabei die Grundvoraussetzung, denn für den Tippgeber steht viel auf dem Spiel, er riskiert mindestens seinen Arbeitsplatz.
„Kritische und investigative Berichterstattung ist auf Whistleblower aus Unternehmen angewiesen und hat nichts mit Industrie- und Wirtschaftsspionage zu tun“, mahnt die Deutsche Journalistinnen- und Journalistenunion (dju) in einer in Berlin herausgegebenen Presseerklärung vom vergangenen Montag, die unter anderem auch der Deutsche Gewerkschaftsbund und das Whistleblower-Netzwerk unterzeichnet haben.
Anlass ist eine geplante EU-Richtlinie über den Schutz von Geschäftsgeheimnissen und Know-How. „Die Generaldirektion Binnenmarkt der Europäischen Kommission hat unter Beteiligung der Akteure aus der Wirtschaft den Entwurf zur Richtlinie ausgearbeitet, ohne die Journalistenverbände und Interessenvertretungen auf Arbeitnehmerseite aktiv einzubinden“, kritisiert die dju. Herausgekommen sei deshalb ein Vorschlag, der „vor allem den geschäftlichen Schutzinteressen der Unternehmen Rechnung“ trage.
„Wirtschaftliche Konkurrenten sind aber nicht die einzigen, die Interesse an Informationen haben, die Unternehmen geheim halten wollten“, heißt es in der Presseerklärung. Über die Hälfte der Wirtschaftskriminalität wird, nach Angaben der dju, nur aufgedeckt, weil jemand damit an die Öffentlichkeit geht, sei es indem er Anzeige erstattet oder die Presse mit Informationen versorgt, wie zum Beispiel bei vielen Lebensmittelskandalen geschehen. Informanten würden meistens aus Verantwortungsgefühl gegenüber der Allgemeinheit handeln und nicht um dem Betrieb zu schaden, in dem sie arbeiten. „Ein solches Verhalten setzt in der Regel ein hohes Maß an Zivilcourage voraus und muss vor Sanktionen geschützt werden“, fordert die dju. „Die Medien als Intermediäre und die demokratischen Kontrollorgane brauchen Hinweise von Insidern, um Missstände aus Unternehmen an die Öffentlichkeit zu bringen.“
Mindestens ebenso bedrohlich für die Pressefreiheit wie eine neue EU-Richtlinie zum Geheimnisverrat in der Wirtschaft ist die unlängst vom Bundeskabinett beschlossene Vorratsdatenspeicherung. Besonders Journalisten seien von der Datensammelwut der Geheimdienste betroffen, klagt der stellvertretende Vorsitzende der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, Frank Werneke in einer Pressemitteilung von Mitte Mai. Nach dem Willen der Großen Koalition soll vorsichtshalber die gesamte Kommunikation der Deutschen erfasst werden, damit sich notfalls nachvollziehen lässt, wer wann wo gewesen ist und mit wem er Kontakt hatte. Die Folge sind exakte Bewegungsprofile der Betroffenen.
Zwar werden nach Aussage der Regierung Berufsgeheimnisträger wie Priester, Ärzte, aber auch Journalisten von der Verwertung der erfassten Daten ausgeschlossen, aber es ist nach Ansicht von Verdi völlig unklar wie das in der Praxis funktionieren soll. Wer ins Visier der Datensammler gerät, soll vorab darüber informiert werden, dass seine Daten näher betrachtet werden. Journalisten müssen sich in dem Fall dann als Geheimnisträger offenbaren. „Medienschaffende, die sich outen müssen, gefährden aber damit auch immer ihre Quelle, was einen weiteren, inakzeptablen Eingriff in die Voraussetzungen für die grundgesetzlich geschützte Arbeit der Medien darstellt“, so Frank Werneke. „Das Beschaffen und Zusammenstellen von Informationen und Daten aus diversen und zu schützenden Quellen, gehört unabdingbar zur journalistischen Recherche. Sorgfältige journalistische Arbeit ist keine Straftat, das muss im Gesetz deutlich werden.“ Verdi hofft nun auf das Bundesverfassungsgericht, das der Vorratsdatenspeicherung einen Riegel vorschieben könnte.
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