Kinder, Familie & Rente

Zwangsverrentung neu geregelt

 

Den folgenden Beitrag hatten wir ähnlich vor 9 Monaten schon einmal gebracht. Fehlerhafte Bescheide des Jobcenters veranlassen uns zu dieser aktualisierten Fassung:

Zwangsverrentung nennt man das, wenn das Jobcenter Arbeitslose vorzeitig mit Rentenabschlägen in die Altersrente schickt. Das ist ein geschickter Zug, um weniger Arbeitslose vermitteln zu müssen und um die Arbeitsmarktlücke kleiner scheinen zu lassen. Es ist zwar sehr umstritten, aber das Hartz 4-Gesetz gibt das ausdrücklich her. Nur wenn es „unbillig“ ist, dann geht das nicht. Dies soll das Jobcenter ausdrücklich prüfen oder – wie es im Beamtendeutsch heißt – der Sachbearbeiter soll sein sorgfältiges Ermessen ausüben.

Unbillig ist es beispielsweise bei Menschen, die noch in einem Niedriglohnjob arbeiten und vom Jobcenter aufstockende Leistungen erhalten. Oder wenn sie Hartz 4 ergänzend zu einem niedrigen Arbeitslosengeld erhalten. Oder wenn eine Arbeitsaufnahme unmittelbar bevor steht. Oder wenn eine ungekürzte Rente direkt bevorsteht. Oder wenn die Rente niedriger sein wird als ein Sozialhilfeanspruch. In all diesen Fällen ist eine vorzeitige und gekürzte Rente nicht zu akzeptieren. Dies besagt die Neuregelung in § 6 der sogenannten Unbilligkeitsverordnung.

Hier der genaue Wortlaut im Gesetz (gültig ab 01.01.17):

§ 6 Hilfebedürftigkeit im Alter
Unbillig ist die Inanspruchnahme, wenn Leistungsberechtigte dadurch hilfebedürftig im Sinne der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch werden würden. Dies ist insbesondere anzunehmen, wenn der Betrag in Höhe von 70 Prozent der bei Erreichen der Altersgrenze (§ 7a des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch) zu erwartenden monatlichen Regelaltersrente niedriger ist als der zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Unbilligkeit maßgebende Bedarf der leistungsberechtigten Person nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch.

Das Jobcenter soll also 70 Prozent der Rentenhöhe aus der letzten Rentenauskunft vergleichen mit dem jetzigen Alg-II-Bedarf. Weitere mögliche Einkünfte neben der gesetzlichen Altersrente soll das Jobcenter nicht berücksichtigen. Ebenso soll das Jobcenter bei leichtem Überschreiten der 70-Prozent-Grenze die Zwangsrente nicht einfach stur und ohne weiteres Ermessen verordnen.

Im Klartext hat es die neue Regel in sich. Nur wer eine so hohe Rente erwarten kann, dass sie auch nach Rentenkürzung immer noch erkennbar über dem Sozialhilfebedarf liegt, soll vorzeitig und mit Abschlägen in die Altersrente gehen müssen. Fast alle Hartz IV-Beziehenden und zu erwartenden Kleinrentner sind damit vom Zwang zur vorzeitigen Altersrente befreit. (Freiwillig dürfen sie aber schon mit 63 vorzeitig in die Altersrente gehen, wie andere Rentenanwärterinnen auch, natürlich mit der lebenslangen Rentenkürzung.)
Personen mit einer zu erwartenden mittleren oder höheren Rente haben diese Freiheit nicht. Sie sind weiter dem Willen des Jobcenters unterworfen. Ebenso darf das Jobcenter Personen zum Rentenantrag auffordern, die vor der normalen Altersgrenze in eine ungekürzte Altersrente nach 45 Jahren Beitragszeit gehen können.

Sollte das Jobcenter Ihnen einen unbilligen Bescheid zukommen lassen, dann zögern Sie nicht. Lassen Sie sich beraten.

Oder schreiben Sie zurück:

„Gegen Ihre Aufforderung zur vorzeitigen Altersrente lege ich Widerspruch ein. Sie haben sicher in der Unbilligkeitsverordnung den neuen § 6 (Hilfebedürftigkeit im Alter) übersehen.“

 

Die „Fachlichen Weisungen“ der Bundesagentur für Arbeit finden Sie hier: (insbesondere ab Randziffer 12a.41)

(avo)