Höhere Altersgrenzen bei der Rente bedeuten nicht unbedingt späteren Erwerbsaustritt, so das Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung in einer neuen Studie. Sollte der Arbeitsmarktboom nicht anhalten, drohen insbesondere Menschen mit geringer Bildung, prekärer Beschäftigung und niedriger Gesundheit dadurch große sozialpolitische Risiken.
Seit 2012 wird die Regelaltersgrenze stufenweise von 65 Jahren auf 67 angehoben. Diese Anhebung der Regelaltersgrenze sieht das DIW zwar als „notwendigen Schritt“ an. Das DIW sieht aber ebenso, dass eine höhere Regelaltersgrenze zwar zu einem späteren Erwerbsaustritt führt, aber auch mit großen sozialpolitischen Risiken einhergeht: „Für einen Teil der Personen, die es nicht schaffen, bis 67 zu arbeiten, bedeutet ein früher Erwerbsaustritt laut den Berechnungen hohe Einkommenseinbußen“, so das DIW.
Die spätere Rente trifft also die Schwächsten
„Gerade für Menschen, die ohnehin auf dem Arbeitsmarkt schlecht dastehen, wird es schwierig sein, sich an die neuen Altersgrenzen anzupassen. Die spätere Rente trifft also die Schwächsten am härtesten.“, beschreibt DIW-Rentenexperte Johannes Geyer eine zentrale Erkenntnis. „Am besten können sich Menschen anpassen, die in stabilen Beschäftigungsverhältnissen arbeiten, ein hohes Bildungsniveau haben und die sich guter Gesundheit erfreuen.“
Die Autor*innen der Studie haben zwei verschiedenen Arbeitsmarktszenarien entwickelt, die die langfristigen sozialpolitischen Folgen der Anhebung des Regelrenteneintrittsalters anhand eines Mikrosimulationsmodells bis zum Jahr 2032 analysiert. Der Zeitraum der Untersuchung reicht also bis ein Jahr, nachdem die Einführung der Rente mit 67 abgeschlossen ist.
Das tatsächliche Renteneintrittsalter wird abhängig vom Arbeitsmarkt für ältere Menschen sein
Das tatsächliche Renteneintrittsalter wird in den kommenden Jahren nach Schätzungen des Autorenteams durchschnittlich um 1,2 bis 1,5 Jahre steigen, abhängig von der Entwicklung des Arbeitsmarktes für ältere Menschen. Für höher gebildete Personen verschiebt sich der Renteneintritt mit 1,6 bis zwei Jahren allerdings deutlich stärker als für Personen mit geringer oder mittlerer Bildung mit einem bis 1,4 Jahren.
Längere Lebensarbeitszeit kann zu höherer Ungleichheit beitragen
Also Ursache dafür sieht die Studie hier in der höheren Erwerbslosigkeitsquoten für Menschen mit geringer oder mittlerer Bildung. „Das bedeutet wiederum, dass diese Menschen wenig in das Rentensystem einzahlen und einem höheren Armutsrisiko im Alter unterliegen“, so die Studie.
Dieses Risiko drohe sich mit der Anhebung der Altersgrenzen in den kommenden Jahren noch zu verstärken. Daher könnte die Ausdehnung der Lebensarbeitszeit zu einer stärkeren Einkommensungleichheit nach dem Renteneintritt beitragen.
Zukünftige Entwicklung des Risikos für Altersarmut hängt von Arbeitsmarkt und Politik ab
„Einerseits muss der Arbeitsmarkt so gestaltet werden, dass es für viele Menschen möglich ist, ihre Erwerbstätigkeit lange auszuüben, zum Beispiel durch die Möglichkeit flexibler Übergänge“, so Peter Haan, Leiter der Abteilung Staat am DIW Berlin. “Darüber hinaus muss die finanzielle Belastung von Älteren, die nicht bis 67 Jahren arbeiten können oder die wenig eingezahlt haben, durch gezielte Maßnahmen begrenzt werden. Die deutlich verbesserte Absicherung im Falle einer Erwerbsminderung war dafür ein überfälliger Schritt. Die derzeit diskutierten Vorschläge zur besseren Absicherung bei geringem Verdienst gehen in eine ähnliche Richtung, sind allerdings nicht ganz so zielgenau. Man sollte zudem wieder Zeiten der Langzeitarbeitslosigkeit in der Rente berücksichtigen.“
Hermann Buslei, Patricia Gallego-Granados, Johannes Geyer und Peter Haan: Rente mit 67: Der Arbeitsmarkt für Ältere wird entscheidend sein
(jgn)
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