Arbeit und Soziales Zum Leben zu wenig

Armut im Alter ist vor allem weiblich

Der „Gender Pension Gap“ bestraft Frauen in der Rente noch einmal

Von Lena Dhaliwal (cuba-Beratungsstelle Arbeit)

Der „Gender Pay Gap“, das geschlechtsspezifische Gehaltsgefälle zwischen Männern und Frauen, hat Folgen bis ins Rentenalter. Bei den Alterseinkünften nennt sich dieses Phänomen dann Gender Pension Gap. Er liegt in Deutschland laut Statistischem Bundesamt aktuell bei 27,1 Prozent. Das heißt, die Alterseinkünfte in Deutschland liegen bei Frauen knapp ein Drittel niedriger als bei Männern. Ohne Hinterbliebenenrenten liegt der Gender Pension Gap sogar bei 39,4 Prozent.

Das sorgt dafür, dass derzeit fast jede fünfte Frau von Altersarmut betroffen ist. Laut Armutsbericht 2024 des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes liegt die Armutsquote bei Frauen über 65 Jahren bei 19,4 Prozent, im Vergleich dazu bei Männern der gleichen Altersgruppe bei 15,1 Prozent.

Die Gründe sind vielfältig: Altersarmut ist als Folge geschlechtsspezifischer Ungleichheiten im Lebenslauf zu sehen. Bei Frauen kommt es häufiger zu familienbedingten Unterbrechungen in ihrer Erwerbsbiographie. Zudem arbeiten Frauen häufiger in Teilzeit oder in nicht sozialversicherungspflichtigen Minijobs. Das liegt daran, dass sie oft zusätzliche unbezahlte Arbeit in Form von Sorgearbeit leisten. Frauen arbeiten auch häufiger in schlecht bezahlten Berufen oder zu niedrigeren Löhnen als Männer. Auch die Karrierechancen von Frauen stellen sich heute immer noch schlechter dar als die von Männern, und Frauen sind in Führungspositionen immer noch deutlich unterrepräsentiert.

Bei Frauen kommt es häufiger zu familienbedingten Unterbrechungen in ihrer Erwerbsbiographie
Foto: Agneta Becker

Hartnäckige Rollenbilder und Traditionen

Die Ursachen für diese Gründe liegen letztlich immer noch in gesellschaftlich geprägten Rollenbildern und -stereotypen, die oft ein traditionelles Geschlechtermodell aufrechterhalten. Ein weiterer Grund sind fehlende und unzureichende Kinderbetreuungsmöglichkeiten.

Auch die steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Ausnahmeregelungen für Minijobs, die beitragsfreie Mitversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung für Ehegattinnen und -gatten und das sogenannte Ehegattensplitting sorgen auf lange Sicht für niedrige Alterssicherungseinkommen von Frauen. Denn das Alterssicherungssystem in Deutschland richtet sich an Erwerbstätigkeit aus und die Altersrente ist damit ein Spiegelbild des Erwerbslebens.

Altersarmut ist immer noch ein gesellschaftlich tabuisiertes Thema, sie geht oft Hand in Hand mit „verschämter Armut“. Betroffene sprechen häufig nicht über ihre finanzielle Situation und nehmen staatliche Leistungen wie die Grundsicherung im Alter nicht in Anspruch. Buslei et al. (2019)1 haben herausgefunden, dass nicht einmal jede zweite Anspruchsberechti gte Person Grundsicherung bezieht.

Altersarmut trifft mehr Frauen als Männer

Laut dem aktuellen Paritätischen Armutsbericht hat Deutschland derzeit insgesamt eine Armutsquote von 16 Prozent, die Ressourcen- und Einkommensungleichheit führt zunehmend zu einer tiefen sozialen Spaltung. Viele Menschen sind auf Grundsicherungsleistungen angewiesen, etwa jede*r fünfte Arbeitnehmende arbeitet im Niedriglohnsektor. Immer weniger Menschen haben nennenswerte finanzielle Reserven. Um Deutschland resilienter gegenüber weiteren Krisen und Belastungen zu machen, ist es dringend erforderlich, die Armut und Armutsgefährdung im Land zu reduzieren.

Zudem wird durch den demographischen Wandel in Deutschland die Zahl der älteren Menschen weiter steigen. Nach Zahlen des Statistischen Bundesamtes wird die Zahl von Rentnerinnen und Rentnern in Deutschland in den nächsten zehn Jahren von aktuell 16,4 auf 20 Millionen anwachsen. Damit wird auch die Zahl der von Altersarmut betroffenen Frauen immer größer. Es braucht politische Forderungen und Schlussfolgerungen, die umgesetzt werden müssen, um der wachsenden Altersarmut von Frauen entgegenzuwirken.

Frauen benötigen existenzsichernde Beschäftigungen, dafür müssen auch prekäre Beschäftigungen für Frauen eingedämmt und soziale Berufe besser bezahlt werden. Die Lohnungleichheit zwischen Frauen und Männern muss beseitigt werden. Es müssen gute Gleichstellungskonzepte entwickelt und eine gleichberechtigte Teilhabe an Führungspositionen gestärkt werden. Der Wiedereinstieg und die Fortführung der Erwerbstätigkeit von Frauen muss stärker gefördert werden. Es müssen bedarfsgerechte Kinderbetreuungsplätze geschaffen und ausgebaut werden und Alleinerziehende besser unterstützt werden. Helfen könnte auch die Ersetzung des Ehegattensplittings durch ein Besteuerungsmodell, welches keinen negativen Einfluss auf die erwerbstätigkeit von Frauen hat.

Ein Thema, das auch Arbeitgebende angeht

Rentenlücken von Frauen sollten zum Thema für Arbeitgebende gemacht werden. Arbeitgebende sollten verstärkt ihre Entgeltstrukturen überprüfen und Maßnahmen ergreifen, um den Gender Pay Gap zu vermindern. Zudem kann die betriebliche Altersversorgung von Frauen stärker in den Blick genommen werden und der Beschäftigungsgrad von Frauen durch geeignete Maßnahmen erhöht werden. Notwendig ist auch eine geschlechtergerechtere Verteilung unbezahlter Sorgearbeit.

Diese aufgeführten Maßnahmen können helfen, den Gender Pension Gap und damit das Risiko für Frauen, von Altersarmut betroffen zu sein, mittel- und langfristig zu senken. Und das ist ein weiterer wichtiger Schritt, um der zunehmenden sozialen Spaltung aufgrund von Einkommensungleichheit in Deutschland entgegenzuwirken.

 

1 Buslei, Hermann; Geyer, Johannes; Haan, Peter; Harnisch, Michelle (2019): Starke Nichtinanspruchnahme von Grundsicherung deutet auf hohe verdeckte Altersarmut. In: DIW Wochenbericht, ISSN 1860-8787, Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Berlin, Vol. 86, Iss. 49, pp. 909-917. https://doi.org/10.18723/diw_wb:2019-49-1

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