Menschen, die arbeitslos werden oder sind, sind nicht schutzlos.
Auch nicht, wenn sie schon länger ohne Arbeit sind. Sie haben nicht nur Pflichten, sondern sehr wohl Rechte, auf deren Einhalten sie bestehen können. Der folgende Text gibt einige wichtige Hinweise für den Umgang mit dem Jobcenter.
Sofortige Hilfe
Lassen Sie sich nicht wegschicken „bis alle Unterlagen da sind“, wenn Sie in einer dringenden Notlage sind und nicht wissen, wie Sie die nächsten Tage überstehen sollen. Das Jobcenter muss helfen! Es muss Ihnen nach § 41 a Abs. 1 des Sozialgesetzbuches (SGB) II einen Vorschuss geben, wenn Sie im Grunde genommen Anspruch auf Leistungen haben, aber über die genaue Höhe noch Zweifel bestehen, weil dazu noch Unterlagen fehlen. Sie sollten den dringenden Bedarf durch die Vorlage eines Kontoauszugs glaubhaft machen, der zeigt, dass Sie pleite sind oder kurz davor stehen, pleite zu sein. Das Jobcenter kann dann einen vorläufigen Bescheid erlassen und Ihnen eine Direktauszahlung in Form eines neutral gehaltenen Auszahlungszettels ohne Hinweis auf Ihre Arbeitslosigkeit geben. Damit können Sie zu den Supermärkten und Drogerien von Rewe, Penny, Real, DM und Rossmann gehen. Der auf dem Zettel abgedruckte Barcode wird dann an der Kasse gescannt und direkt ausgezahlt. Ein gesonderter Einkauf ist also nicht nötig.
Kein Geld erhalten trotz Bewilligungsbescheid?
Wer einen gültigen Bewilligungsbescheid bekommen hat, dem muss das Jobcenter die bewilligten Leistungen auch auszahlen, solange der Bescheid nicht aufgehoben wurde. Gehen Sie also mit dem Bescheid und einem Kontoauszug vom Morgen des Tages ins Jobcenter und fordern Sie eine sofortige Auszahlung ein! Das Jobcenter kann Ihnen dann zum Beispiel einen Barcode auf einem neutral gehaltenen Auszahlungszettel geben, den Sie an der Supermarktkasse vorlegen müssen, um Geld zu bekommen.
Kontoauszüge
Das Jobcenter darf von Ihnen Kontoauszüge von allen Konten aus den letzten Monaten vor Antragstellung verlangen. Nach einer Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 19.09.2008 (Aktenzeichen: B 14 S 45/07 R) gilt, dass das Jobcenter Arbeitslosen die Leistungen wegen fehlender Mitwirkung versagen kann, wenn diese nicht bereit sind, Kontoauszüge der letzten drei Monate dem Amt vorzulegen. Das Jobcenter könne sowohl beim Erstantrag wie auch beim Fortzahlungsantrag die Zahlung von Arbeitslosengeld (Alg) II von der Vorlage der Kontoauszüge abhängig machen, so das BSG. Das Jobcenter dürfe eine Einsicht nicht nur bei konkretem Verdacht verlangen, sondern auch, um zu überprüfen, ob Antragstellende die Voraussetzungen für den Bezug von Alg II erfüllten. Allerdings seien Angaben soweit schützenswert, wie das Jobcenter daraus auf die ethnische Herkunft, die politische Meinung, eine Gewerkschaftszugehörigkeit, religiöse oder weltanschauliche Überzeugungen oder das Sexualleben von Antragstellenden schließen könne. Entsprechende Hinweise in der Zeile hinter der eigentlichen Ausgaben-Zahl, die lesbar sein müsse, dürften Antragsteller*innen schwärzen. Das Jobcenter darf die Kontoauszüge aber nicht bei sich zu den Unterlagen nehmen oder speichern. Gemäß § 67c Abs. 1 SGB X dürfen Sozialdaten nur gespeichert werden, soweit dies für die erfüllung der jeweiligen Aufgaben einer Sozialbehörde erforderlich ist. Kontoauszüge enthalten oft eine Vielzahl von Kontobewegungen, die für die Feststellung des Hilfebedarfs nicht notwendig sind. Ihre elektronische Speicherung oder Aufbewahrung in einer Akte des Jobcenters ist daher unzulässig. Es darf aber in der Akte vermerkt werden, für welchen Zeitraum Kontoauszüge eingesehen worden sind. Haben Sachbearbeiter*innen bei der Einsichtnahme leistungsrechtlich bedeutsame Daten festgestellt, so können sie das auch in der Akte notieren.
Nicht ohne Fax oder Eingangsbestätigung
Immer wieder kommt es vor, dass Schreiben beim Jobcenter verloren gehen. Wenn Sie nicht nachweisen können, dass Sie sie rechtzeitig abgeliefert haben, können Sie möglicherweise die rechtzeitige Antragstellung oder das Schreiben, mit dem Sie zum Beispiel die Aufnahme eines Minijobs mitgeteilt oder Urlaub beantragt haben, nicht belegen. Eine Möglichkeit des sicheren Nachweises wäre es, wenn Sie das Schreiben per Einschreiben schicken. Das ist allerdings ziemlich teuer. Günstiger wäre es, wenn Sie das Schreiben per Fax an das Amt schicken und Sie sich den Faxbericht samt erster Seite des Schreibens ausdrucken.
Wenn Sie keinen Zugang zu einem Faxgerät haben, dann wäre es eine andere Möglichkeit, wenn Sie sich bei jeder Abgabe von Schreiben im Jobcenter von diesem auf die bei ihnen verbleibenden Kopie des Schreibens eine Eingangsbestätigung geben lassen. Dazu ist das Jobcenter nach der Weisung 201806011 der Bundesagentur für Arbeit (BA) vom 20.06.2018 zu „Eingangsbestätigungen im Bereich SGB II“ zwingend verpflichtet.
Die BA weist darauf hin, dass nicht nur bei fristwahrenden Schreiben wie Widersprüchen und Anträgen die Eingangsbestätigung möglich ist, sondern auch „auf ausdrücklichen Wunsch der Leistungsberechtigten, also in allen anderen Angelegenheiten, bspw. bei Änderungsmittellungen und einzureichenden Unterlagen nach Mitwirkungsaufforderungen.“ Das Recht auf eine Eingangsbestätigung lässt sich außerdem auch aus einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ableiten (BVerfG, Urteil vom 08.10.1974) – es gilt also auch für solche Jobcenter, die an Weisungen der BA nicht gebunden sind, weil sie zu 100 Prozent in kommunaler Trägerschaft organisiert sind.
Keine*r muss allein ins Amt gehen
Niemand muss allein zum Jobcenter. Jede Person, die das will, darf einen Beistand zum Amt mitbringen. Das ist in § 13 Abs. 4 des Sozialgesetzbuchs, Teil 10 (SGB X) geregelt. Dort steht auch: „Das von dem Beistand Vorgetragene gilt als von dem Beteiligten vorgebracht, soweit dieser nicht unverzüglich widerspricht.“ Den juristischen Kommentaren zu dieser Regelung ist außerdem zu entnehmen, dass ein Amt einen Beistand nur dann ablehnen darf, wenn dieser offensichtlich ungeeignet ist, das heißt zum Beispiel unter erheblichem Drogen- oder Alkoholeinfluss steht. Als Beistand können etwa auch die Eltern, Geschwister oder Freunde auftreten.
Beistände müssen keine besonderen Rechtskenntnisse haben. Oft reicht es, wenn sie sich Notizen machen und ihren Alltagsverstand benutzen. Auch vor Ort bei einer entsprechenden Beratungsstelle wie etwa eine Arbeitslosenberatung kann man nach einem geeigneten Beistand fragen. Die Erfahrung zeigt, dass Beistände immer weiterhelfen. Allein schon, weil sie Ihre Unsicherheit verringern.
Auszüge aus: Koordinierungsstelle gewerkschaftlicher Arbeitslosenarbeit e.V.
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