Kommentar

Blick in die kommunalistische Zukunft

Die sozialistische Utopie des Jakob Schäfer

Eine Buchbesprechung von Werner Szybalski

Der Kapitalismus ist überwunden. „Die Ereignisse, die zu den großen Veränderungen geführt haben, deren Ergebnisse wir heute in Mellopolis beobachten können, setzen wir als bekannt voraus“, schreibt der Österreicher Jakob Schäfer, der seinen Reporter Daniel Weber für eine fiktive Reportage nach Mellopolis, in die „sozialistische Stadt der Zukunft “, schickt.

In der kommunalistisch organisierten Gesellschaft von Mellopolis, in der die Kriege, der Kapitalismus und die Autogesellschaft der Vergangenheit angehören, steht weiterhin die Arbeit im Mittelpunkt des gesellschaftlichen Lebens. Es gibt aber keine Geldwirtschaft mehr, vielmehr erhalten die werktätigen Menschen für die grundsätzlich 20 Wochenstunden betragende Erwerbstätigkeit nicht übertragbare, gegen Fremdleistungen eintauschbare „Arbeitszeitscheine“.
Die Diskussionen der Menschen in Mellopolis, so berichten die Reportagen des Besuchers namens Weber, drehen sich deshalb viel um Ausbildung, Arbeitsplatzrotation und Spezialistentum – zum Beispiel in der Gesundheitspolitik. Auch die Ziele und Aufgaben des Sports (Ist Gewinnen ein lohnendes Ziel?) in der zukünftigen – und damit natürlich auch der heutigen – Gesellschaft werden durchleuchtet.

Aktuelle Themen in die Zukunft übertragen

Das lesenswerte Buch lebt nicht von der Spannung, sondern vom Vergleich des Geschriebenen mit den eigenen Zukunftserwartungen oder auch -hoffnungen der Leser*innen. In der geschilderten egalitären Gesellschaft der Zukunft werden zahlreiche (für uns aktuelle) Debatten geführt, und das sowohl in den Mehrgenerationenhäusern als auch auf den verkehrsberuhigten Plätzen im Stadtteil. Oder aber in den Räten von Mellopolis beziehungsweise den überörtlichen Kongressen und gegebenenfalls vor Volksabstimmungen. Die dazu Delegierten dürfen übrigens von ihrer Basis jederzeit abberufen werden.

Das Buch „Mellopolis ´48 – eine Reportage“ betrachtet allerdings nur einen Ausschnitt der möglichen zukünftigen Gesellschaft, regt aber durchaus an, sich mit den heutigen Gestaltungsmöglichkeiten zu beschäftigen und Prioritäten in Politik und Gesellschaft zu setzen.

Im Anhang zur Reportage verdeutlicht Autor Jakob Schäfer im theoretischen Teil, wie wichtig ihm eine sozialistische Utopie für die heutige Zeit ist. Er erklärt zudem das politisch-philosophische Fundament seines Gesellschaftsentwurfs und verweist auf die von ihm für sein Buch verwendeten Theorien. Dabei stützt Schäfer sich auch auf Karl Marx, obwohl diesem immer wieder unterstellt wird, dass er keine zukünftige Gesellschaft in seinen Schriften skizziert habe.

Mit der Darstellung aktueller Erkenntnisse aus Archäologie, Anthropologie und Ethnologie untermauert Schäfer sein Werk. Dabei verweist er unter anderen auf Rutger Bregmans, David Graeber und David Wengrow und stellt gesellschaftliche Lösungsvorschläge der Bestseller-Autoren Yuval Noah Hariri, Harald Welzer und Richard David Precht vor.

JakobSchäfer: Mellopolis ´48 – eine Reportage. Vision einer Gesellschaftsordnung nach der Überwindung des Kapitalismus. Wien; new academic press; 2023; 128 Seiten; 12,90 Euro; ISBN 9783700323129

Sperre Redaktion
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