Urteile

Bundesverfassungsgericht: Für eine Untätigkeitsklage bedarf es keiner vorherigen Mahnung an die entsprechende Behörde

Das Sozialgericht (SG) Würzburg war der Auffassung, dass eine SGB-II-Bezieherin vor Ablauf einer Frist das Jobcenter bzw. die Behörde auf die noch ausstehende Entscheidung im Rahmen ihrer Schadensminderungspflicht hätte hinweisen müssen. Deswegen sollte sie die damit verbundenen Rechtsvertretungskosten nicht erstattet bekommen. Dazu hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) klargestellt: Diese Pflicht besteht nicht.
Laut dem obersten deutschen Gericht gibt es nämlich keine „allgemeine Pflicht, die Behörde nach Ablauf der gesetzliche Wartefrist zunächst auf die ausstehende Entscheidung über den Antrag oder Widerspruch aufmerksam zu machen, die Klageerhebung anzukündigen und nachzufragen, ob sie bald entscheide“. Statt dessen habe der Gesetzgeber selbst geregelt, wie lange Betroffene abwarten müssten. „Wer nach Ablauf dieser Fristen klagt, handelt grundsätzlich nicht treuwidrig“, so die Karlsruher Richter*innen. Die Entscheidung des SG Würzburg verstoße vielmehr gegen das in Art. 3 Abs. 1 GG kodifizierte Willkürverbot.
Eine Untätigkeitsklage kann beispielsweise eingelegt werden, wenn die Behörde innerhalb von sechs Monaten über einen Antrag auf Leistungen nicht entscheidet, obwohl alle notwendigen Informationen vorliegen. In einem Widerspruchsverfahren beträgt diese Frist drei Monate.

Bundesverfassungsgericht vom 08.02.2023 – 1 BvR 311/2