Am 19. April dieses Jahres traf sich Oberbürgermeister (OB) Markus Lewe mit einer großen Anzahl von Teilnehmenden und wichtigen Akteuren im Haus der Offenen Tür in Münsters Stadtteil Coerde. Zuvor waren Visiten an vielen Orten in Coerde anberaumt gewesen. Markus Lewe wuchs selbst in Coerde auf. Sein Ziel sei es, dass Coerde sich positiv entwickele, an seinen „Baustellen“ arbeite und seinen Ruf als Brennpunkt widerlege beziehungsweise überwinde.
Münster und alle seine Stadtteile sollen nachhaltig werden, es wird im Rathaus über eine Stadt der kurzen Wege nachgedacht. Um unnötiges Pendeln ins Stadtzentrum oder in andere Stadtteile zu vermeiden, fassen Handelsunternehmen in Coerde Fuß: Rossmann eröffnete eine Filiale, Edeka und Aldi bauten ihre Filialen in Coerde neu, vergrößerten ihre Fläche. Geplant ist eine Neueröffnung von Lidl.
Es gibt Überlegungen, die Busverbindung von Coerde nach Kinderhaus zu verbessern und die Buslinie 19 nicht ein-, sondern zweimal pro Stunde zu bedienen, weil viele Kinder aus Coerde weiterführende Schulen in Kinderhaus besuchen. Sportliche Freizeitaktivitäten, ein Hallenschwimmbad und viele preiswerte Einkaufsmöglichkeiten gibt es in Kinderhaus, was Einwohner*innen aus Coerde nach Kinderhaus lockt.
In Coerde wohnen aktuell ca. 11.000 Menschen1, davon 29 Prozent ohne deutsche Staatsangehörigkeit. Der Anteil der nichtdeutschen Bevölkerung befindet sich in Coerde in stetigem Wachstum, von 17 Prozent im Jahr 2013 auf 29 Prozent im Jahr 2022. Wer denkt, dass Coerde weiterhin „asozial“ und total „arbeitslos“ sei, irrt sich. Der Anteil der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten2 an Personen im Alter von 15 bis 64 Jahren liegt in Coerde mit 54 Prozent knapp unter dem Durchschnitt Münsters. Der Anteil der ausschließlich geringfügig Beschäftigten an Personen im Alter von 15 bis 64 Jahren ist mit 9,7 Prozent fast genauso groß wie im Münsteraner Gesamtdurchschnitt. Der Anteil der Arbeitslosen an den Personen im Alter von 15 bis 64 Jahren beträgt 8,5 Prozent und ist an sich auch keine dramatisch hohe Zahl.
Coerde ist ein sehr kinderreicher Stadtteil. Der Jugendquotient in Coerde (Anzahl der wohnberechtigten Bevölkerung im Alter von 0 bis 19 Jahren dividiert durch die Anzahl der wohnberechtigten Bevölkerung im Alter von 20 bis 64 Jahren multipliziert mit 100) ist fast doppelt so hoch wie im städtischen Durchschnitt. Gerade Kinder und Jugendliche sind eine Stärke und die treibende Kraft für Coerde und Münster.
Die Kinder und Jugendlichen in Coerde leben jedoch in Armut. Trotz einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung liegt der Anteil der SGB-II-Empfänger an der Gesamteinwohnerzahl in Coerde im erwerbsfähigen Alter (15-64 Jahre) mit 18,7 Prozent sowie der Anteil jugendlicher SGB-II-Empfänger (0-14 Jahren) mit 36 Prozent fast dreimal höher als im Durchschnitt von Münster. Eine gute Bildung und eine sinnvolle Freizeitgestaltung sollen in Zukunft in Coerde eine entscheidende Rolle spielen, um der Armut entgegenzuwirken.
Vom Problem- zum Vorzeigestadtviertel
Beim Treffen mit dem Oberbürgermeister wurde ein großes Bauvorhaben für Coerde vorgestellt: das Stadtteilhaus – ein Bildungs- und Begegnungszentrum am Hamannplatz.
Dieses wird nachhaltig und flexibel gebaut, um die Umwelt zu schützen und dem Gedanken der Stadt der kurzen Wege treu zu bleiben. Im geplanten Stadtteilhaus Coerde sind eine Migrationsberatungsstelle und ein Jobcenter geplant, damit neu Zugewanderte vor Ort besser betreut werden können. Die Stadtteilbücherei Coerde, das Begegnungszentrum „Coerde Mittendrin“, das AWO-Stadtteilbüro Coerde, der DRK-Jugendtreff Coerde und die Musikschule Münster bieten ihre Angebote für Kinder, Jugendliche und alle anderen Altersgruppen im zukünftigen Stadtteilhaus an. Es sind Multifunktionsräume geplant, die sowohl für Bewegungsangebote, Psychomotorik, als auch für Theater-Proben oder andere Veranstaltungen genutzt werden können.
Wichtig ist auch eine Durchmischung der Teilnehmenden aus verschiedenen Kulturen und sozialen Schichten. Die im Jahr 2018 gegründete Initiative Chack (Chancen für alle Coerder Kinder) bietet Kindern aus Coerde unabhängig vom Einkommen der Familie kostenlose Sommerferienangebote. Dadurch entstehen gemeinsame Aktivitäten (Kunst, Theater, Biologie, Bewegung) für Kinder mit und ohne Migrationshintergrund. Bei einer feierlichen Abschlussveranstaltung trafen sich Eltern aus verschiedenen Einkommensschichten.
Die 2017 gegründete Kulturinitiative Coerde bietet regelmäßig durch ihr Vorlese-Café Einblicke in literarische und poetische Werke in verschiedenen Sprachen (Arabisch, Portugiesisch, Serbisch, Türkisch usw.), die zunächst von Muttersprachler*innen in der jeweiligen Sprache vorgelesen werden, mit der folgenden Übersetzung in Deutsch. Damit ist in Coerde ein hochkarätiges kulturelles Angebot entstanden, das Frieden und Verständnis fördert.
Alle Akteure betonten beim Treffen mit dem OB die Wichtigkeit informeller Arbeit, um soziale Kontakte zwischen Menschen in Coerde aus verschiedenen Herkunftsländern und Kulturen zu fördern, Kindern Freizeitangebote zu unterbreiten und damit die Identifikation der Einwohner mit Coerde zu stärken. Coerde bekommt so hoffentlich ein neues positives Image.
1 Quelle: https://www.stadt-muenster.de/fileadmin/user_upload/stadt- muenster/61_stadtentwicklung/pdf/steckbriefe/Stadtteilsteckbrief _61_Coerde.pdf
2 Stadtteilsteckbrief 2022 – 61 Coerde. Diagramm: Bevölkerungsindikatoren 2022 für Münster und für den Stadtteil -Erwerbstätigkeit-
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