Wenn Bedürftige eine neue Wohnung anmieten, dann können sie manchmal die geforderte Kaution nicht zahlen. Das Jobcenter kann ihnen ein Darlehen für die Mietkaution geben. Es ist umstritten, wie das Jobcenter weiter mit diesem Darlehen umgehen kann. Durch eine nicht eindeutige Gesetzesänderung beim Hartz IV seit dem 1.April 2011 sollen Darlehen des Jobcenters aus dem Regelsatz zurückbezahlt werden. Monatlich stehen dafür 10 % des Regelsatzes zur Verfügung, eine Einzelperson etwa bekommt also 40,90 Euro weniger ausgezahlt, diese werden als Tilgung des Darlehens verbucht. Bei einer entsprechend hohen Kaution dauert diese Kürzung dann beispielsweise zwei Jahre.
Das Verfahren der Jobcenter ist umstritten. Umstritten heißt, dass durch juristischen und politischen Streit eine Änderung herbeigeführt werden kann. Ein aktuelles Urteil vom Landessozialgericht NRW (LSG NRW) geht in diese Richtung. Außerdem hat Tacheles einen politischen Aufruf gestartet, diese Praxis der Jobcenter zu ändern. Als selbst betroffene Person kann man auch selbst aktiv werden. Dazu folgt ein Überblick.
Neues Urteil: Hartz IV und Mietkautionsdarlehen: Keine Aufrechnung mit laufendem Regelbedarf
Das Jobcenter kann nicht verlangen, dass ein Kautionsdarlehen aus dem laufenden Regelbedarf zurückgezahlt wird. Das Jobcenter darf die Alg II-Leistung nicht für die Tilgung des Kautionsdarlehens fortlaufend um 10 % kürzen.
LSG NRW, L 7 AS 607/17 vom 29.06.2017 (nicht rechtskräftig)
Dieses aktuelle Urteil aus Nordrhein-Westfalen schreibt nun ausdrücklich, was verschiedene andere Gerichte vorher zumindest angedeutet haben. In die gleiche Stoßrichtung geht auch der folgende politische Anstoß von Tacheles. Der Aufruf führt diese weiteren Gerichtsentscheidungen an.
Aufruf an die Politik: das Aufrechnen von Mietkautionsdarlehen beenden!
Der Erwerbslosenverein Tacheles in Wuppertal ruft dazu auf, dass die Praxis der Aufrechnung von Mietkautionsdarlehen beendet wird. Die Unterkunftskosten im Alg II , soweit sie die laufende Miete betreffen, geben nichts her für eine Aufrechnung. Also wird aus dem Regelbedarf gekürzt. Der Regelbedarf ist schon knapp bemessen, eine längerfristige Kürzung ist nicht zu rechtfertigen. Der Regelsatz soll für andere Bedarfe als für Kosten der Unterkunft zur Verfügung stehen.
Der Aufruf ist im Internet zu finden. Dort könnt Ihr/ können Sie als Unterstützende unterschreiben.
Was tun, wenn das Jobcenter bei mir persönlich aufrechnet oder aufrechnen will?
Weisen Sie auf das Urteil vom Landessozialgericht NRW, L 7 AS 607/17 vom 29.06.2017 hin. Beantragen Sie, dass die laufende Aufrechnung Ihres Kautionsdarlehens beendet und dass Ihr Darlehen gestundet wird. Beantragen Sie einen Überblick: wieviel vom Darlehen haben Sie schon zurückgezahlt, und wieviel ist noch offen.
Wenn Sie ein neues Kautionsdarlehen beantragen, achten Sie darauf, dass das Jobcenter bei Ihnen nicht aufrechnet, also nicht kürzt. Wenn das Jobcenter doch kürzt, legen Sie Widerspruch ein.
Weitere Hinweise und Vordrucke finden Sie/findet Ihr ebenfalls auf der genannten Webseite:
Diese Vorgehen heißt nun nicht, dass das Kautionsdarlehen nie zurückgezahlt wird. Das Jobcenter kann das Darlehen zurückfordern, wenn der Vermieter es zurückzahlt oder wenn der Leistungsbezug endet, beispielsweise durch ein neues Einkommen oder Vermögen.
avo
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