Rund um Münster Verschiedenes

Demokratisierer im Kunstzirkus

Eine Würdigung des verstorbenen Kasper König und dessen Wirken in und für Münster

Von Jan Rinke

Kasper König bei der Eröffnung der Skulptur Projekte 2017 im LWL-Museum für Kunst und Kultur. Foto: Hubertus Huvermann, LWL

Am 9. August 2024 ist mit Kasper König nicht „nur“ einer der bedeutendsten Kuratoren aktueller Kunst gestorben, sondern auch eine Persönlichkeit, die Münster geprägt und vorangebracht hat.

Zusammen mit Klaus Bußmann, dem früheren Direktor des Landesmuseums (heute „LWL-Museum für Kunst und Kultur“), entwickelte König die seit 1977 im Zehnjahresturnus veranstaltete Kunstausstellung von Skulpturen und Plastiken im öffentlichen Raum in der von der Promenade eingerahmten Altstadt als räumlichem Schwerpunkt. Die „skulptur.projekte“ haben Münsters internationale Bekanntheit über seine Bedeutung als Hochschulstadt und Kongressort hinaus beträchtlich gesteigert. Indem es immer im selben Jahr mit der documenta in Kassel (diese allerdings im fünfjährigem Turnus) stattfindet, zieht es in Synergie mit diesen Großevents ein weltweites Kunstpublikum in die Westfalenmetropole.

Die „Aaseekugeln“ gehören längst zu Münsters Wahrzeichen

Wahrzeichen: Claes Oldenburg, „Giant Pool Balls“ (1977) , Aaseewiesen. Foto: Agneta Becker

„Nebenher“ haben die ersten skulptur.projekte 1977 mit den „Giant Pool Balls“ (deutsch: gigantische Billardkugeln; Foto) des mit König befreundeten US Künstlers Claes Oldenburg Münster ein neues Wahrzeichen geschenkt. Die Münsteraner*innen betrachten sie längst als „ihre Aaseekugeln“. Sie gehören inzwischen unverzichtbar zu Münsters Stausee und sind zu einem Wahrzeichen der Stadt geworden. Dadurch, dass alle Skulpturen im Stadtraum installiert sind, rücken sie diesen immer besonders in den Blick des Kunstpublikums, aber genauso aller anderen Betrachter*innen.

Von Anfang an darf man die skulptur.projekte als ein demokratisches Projekt ansehen, denn die Initiatoren griffen im Nachhinein die öffentliche Kontroverse um den städtischen Ankauf der Skulptur „Drei rotierende Quadrate“ (Foto) von George Rickey im Jahr 1973 für die Engelenschanze auf. Sie nahmen damit die Stadtöffentlichkeit ernst, als Adressaten der Kunstvermittlung in der aktuellen Kunst, die selbst kaum demokratisch zu nennen ist, da Kunst überhaupt in einem autonomen, kreativen Akt in der Regel von einzelnen Künstler*innen geschaffen wird.

Aktuelle Kunst, die sich längst von den alleinigen Maßstäben wie handwerkliches Können und Schönheit befreit hat, ist wesenhaft und nach Art. 5 Grundgesetz geschützt – sie ist frei, „darf alles“ und bewegt sich zudem überwiegend in für die Gesellschaftsmehrheit undurchdringbaren Diskursen.

Öffentliche Debatten und Demokratisierung der Kunst

Indem ihre Macher die skulptur.projekte als Bildungsprojekt angelegt haben, das in vielfachen Formaten wie Führungen, Vorträgen, Diskussionen und Begleitausstellungen diesen Diskursraum der interessierten Öffentlichkeit zugänglich macht, hat Kasper König an einer Demokratisierung der Kunst mitgewirkt.

Initialzündung im öffentlichen Raum: George Rickey, Three rotary squares (1973), Engelenschanze. Foto: Agneta Becker

Andersherum haben die für die Kunstausstellung im öffentlichen Raum von den Kuratoren ausgewählten Künstler*innen in aller Schaffensfreiheit immer wieder mit ihren Skulpturen und Aktionen teils heftige Debatten in der Stadtgesellschaft entfacht, die wiederum eine Art „Humus“ der demokratischen Kultur entstehen ließen. Dadurch bedeutet der in den skulptur.projekten verwendete Begriff „öffentlicher Raum“ längst mehr als solche wie Stadtraum, Raum der Öffentlichkeit und Raum öffentlichen Diskurses.

Die große Leistung von Kasper König ist, mit der Stadtgesellschaft Kunst aus den Museen und Ateliers herausgezerrt zu haben, um sie zu demokratisieren und gleichzeitig mit der Kunst Debatten in der demokratischen Öffentlichkeit zu befeuern. Diese gipfelten, wie schon die Initialzündung 1973, in einer verfassten Mehrheitsentscheidung für oder gegen Ankäufe von Ausstellungsobjekten durch die Stadt.

Nachdem Kasper König bereits angekündigt hatte, die inzwischen von LWL und Stadt Münster vereinbarte nächste Ausgabe der skulptur.projekte 2027 nicht mehr kuratieren zu wollen, wird sich sein Ansatz nun unabhängig von ihm bewähren (müssen). Wir dürfen zuversichtlich sein, dass die Dynamik der skulptur.projekte in der von der Promenade eingekreisten Manege ohne den Direktor des großen Kunstzirkus durch Anstöße in Bewegung bleibt wie Billardkugeln.