Schummeln bei den Mieterhöhungen gemäß § 558 BGB
Von Werner Szybalski
Die Landesentwicklungsgesellschaft (LEG) ist weiterhin bemüht, ihren schlechten Ruf als Vermieter in Münster zu pflegen. Jüngstes Beispiel: Unter dem Deckmantel einer mit dem Mietspiegel begründeten Mieterhöhung wird Mieter*innen ein unzulässiger Aufschlag – im Anschreiben gut versteckt – gleich mit untergejubelt. Ob der Immobilienkonzern so die Renditeerwartungen seiner Aktionär*innen befriedigen möchte?
Das Schreiben des Vermieters überraschte den fast 80-Jährigen nicht wirklich. Der Eisenbahn-Pensionär, der seit Jahrzehnten in einer heute ehemaligen Bundesbahnwohnung im Stadtteil Rumphorst wohnt, die zum Wohnungsbestand des börsennotierten Immobilienkonzerns LEG gehört, hatte im Spätsommer vergangenen Jahres schon auf die erneute Mieterhöhungsankündigung gewartet. Schließlich gab es seit April 2023 einen neuen Mietspiegel für die Stadt Münster. Aus ihm war ersichtlich, dass seit 2021 die Mieten in Münster allgemein schon wieder um knapp fünf Prozent gestiegen waren. Diese Chance lässt sich alle zwei Jahre der profitorientierte Großvermieter LEG Immobilien SE nicht entgehen. Wo und wann immer es möglich ist, fordert das Aktienunternehmen von seinen Mieter*innen einen höheren Geldbetrag für das Wohnen in seinen Immobilien.
LEG schöpft jede Möglichkeit der Mieterhöhung regelmäßig aus
Seit 2018 erhöht die LEG in Münster die Mieten grundsätzlich bis zum gesetzlich maximal möglichen Satz. Damals lief die vereinbarte Sozialbindung für die vielen ehemals gemeinnützigen Wohnungsunternehmen unter dem Dach der 2008 von der damaligen CDU/FDP-Landesregierung privatisierten, landeseigenen Wohnungsgesellschaft LEG aus. Lag 2022 der durchschnittliche Mietpreis in LEG-Wohnungen in Münster bei 7,06 Euro pro Quadratmeter, sollen laut Unternehmensführung die durchschnittlichen Mieterlöse in den kommenden Jahren in Münster auf 10 Euro den Quadratmeter steigen.
Dazu bedarf es nicht nur der vielfach schon durchgeführten Modernisierungen mit anschließender Umlage dieser Kosten auf die Mieter*innen, sondern auch der Veräußerung von noch immer sehr kostengünstigen und natürlich weder sanierten noch modernisierten Wohnungen wie zum Beispiel am Berg Fidel. Und natürlich des einen oder anderen Kniffs, auf den selbst aufmerksame LEG-Mieter*innen wie der oben erwähnte Rumphorster reinfallen können.
Auch in Münster existiert ein landesgesetzlich im § 201a BauGb festgestellter „angespannter Wohnungsmarkt“, der die möglichen Mieterhöhungen auf 15 Prozent in drei Jahren beschränkt. Die Angebotsmieten in NRW liegen gemäß Landesgesetz vom Dezember vergangenen Jahres im Durchschnitt (arithmetisches Mittel) bei 7,78 Euro und in den NRW-Gemeinden mit überdurchschnittlichen Mietpreisen bei 9,21 Euro. Tatsächlich ist nirgendwo sonst in Westfalen laut Landesgesetz von Dezember 2022 die durchschnittliche Angebotsmiete mit 10,48 Euro so hoch wie in der ehemaligen Provinzialhauptstadt. Lediglich in den rheinischen Metropolen Köln (11,93 Euro) und Düsseldorf (10,98 Euro) sowie in der ehemaligen Bundeshauptstadt mit Universitätssitz Bonn (10,94 Euro) müssen Mieter*innen monatlich im Schnitt mehr als in Münster an die Vermieter*innen zahlen.
Ziel sind zehn Euro Miete pro Quadratmeter bis 2030
Ziel der LEG ist es, auf die angestrebten zehn Euro pro vermietetem Quadratmeter Wohnraum in Münster zu kommen, was selbstverständlich in vielen LEG Wohnkomplexen (Waldsiedlung Angelmodde, Berg Fidel, Grevener Straße, Hiltrup, Jahnstraße, Kinderhauser Straße, Korte Ossenbeck, Lange Ossenbeck, Moorhook, Meßkamp, Philippistraße oder in den alten Bauabschnitten der Weißenburgsiedlung) erst in einigen Jahren erreicht werden kann. In der Wohnung der abgelichteten Mieterhöhung (siehe Bild) wäre bei ständiger Mieterhöhung von 15 Prozent innerhalb von jeweils drei Jahren die 10-Euro- Mietschallmauer erst im Jahr 2032, also in acht Jahren, durchbrochen. Für die Aktionär*innen der LEG Immobilien SE offensichtlich zu spät!
In den Mieterhöhungsschreiben des vergangenen Jahres und auch in denen von 2024 schummelt die LEG nämlich, um so drei Prozent mehr Miete unter dem Deckmantel einer Mieterhöhung gemäß Mietspiegel in Verbindung mit § 558 BGB (in dem die Zustimmung zur Mieterhöhung geregelt ist; anm. d. Red.) abzukassieren.
Die Mieterhöhungsschreiben der LEG Wohnen NRW GmbH sehen wieder fast genauso aus wie bei der Mieterhöhung der vergangenen Jahre. Auch werden grundsätzlich die in Münster maximal zulässigen 15 Prozent Erhöhung in drei Jahren eingehalten. Auf der zweiten Seite des Schreibens finden Mieter*innen Tabellen und Listen, die die Berechtigung der Erhöhung nachweisen sollen. Betitelt sind die Tabellen mit: „Ortsübliche Vergleichsmiete lt. Mietspiegel“. Alles in Ordnung also? Zumal auch grundsätzlich die unberechtigten und deshalb damals von vielen bemängelten Mieterhöhungsgründe aus der vergangenen Mieterhöhung diesmal gar nicht erst im Schreiben auftauchen.
Viele Mieter*innen halten drei Prozent Mietaufschlag für rechtmäßig
Der Pensionär aus Rumphorst fand die Erhöhung zwar ungerecht, aber offensichtlich durch die Gesetzgebung gedeckt – er unterschrieb die beiliegende Zustimmungserklärung sofort, denn er wollte das Ärgernis gleich zu den Akten legen. Als er Monate später den sinnvollerweise eingerichteten monatlichen Dauerauftrag ändern wollte, schaute er sich die Erhöhung in dem Brief nochmals genauer an. Dabei fiel ihm auf: „In dem Schreiben sind nach einer Zwischensumme für die aus dem Mietspiegel abgeleiteten Mieterhöhungen weitere drei Prozent Mietzuschlag aufgeführt. Diese werden mit der Infrastruktur in der Stadt Münster begründet. Das ist nicht zulässig!“
Eine zusätzlich erhöhte Miete für Kitas, Alteneinrichtungen, Sportvereine in der Stadt oder auch den Flughafen Münster-Osnabrück zu verlangen, ist nicht zulässig (vergleiche SPERRE Winter-Ausgabe 2023).
Besonders dreist ist, dass auch „Spielplätze in 1.000 m“ (siehe Bild oben) an dieser Stelle von der LEG aufgeführt werden, obwohl die LEG Spielplätze im Rahmen des Mietspiegels als „öffentliche Grünflächen im Umkreis von 100 m“ schon einbezieht. Der Versuch, die LEG-Mieter*innen in Münster für die vorhandene öffentliche, mit Steuermitteln erstellte Infrastruktur, an deren Finanzierung sich die LEG durch ihren Börsenplatz London und ihren Firmensitz Düsseldorf praktisch nicht beteiligt, zusätzlich zur Kasse zu bitten, erzürnte den Pensionär aus Rumphorst. Und zwar derartig, dass er die Unterschrift unter diese dreiprozentige Mieterhöhung zurückzog und den Betrag von rund 20 Euro monatlich nie bezahlte.
Erneuter Rechtsstreit?
Da Mieter*innen grundsätzlich ihre Unterschrift unter einer Zustimmung zur Mieterhöhung nicht widerrufen können, läuft es nun auf einen weiteren Rechtsstreit mit der LEG hinaus, denn der ehemalige Eisenbahner fühlt sich übertölpelt: „Ich habe die Nichtabdeckung dieser Erhöhung durch den Mietspiegel erst nicht erkennen können.“ Inzwischen hat er eine Zahlungsaufforderung von einem Inkassounternehmen bekommen, da die LEG den Rechtsweg zunächst wohl nicht beschreiten will. Nachvollziehbar, denn ihr Verhalten mit den im Schreiben versteckten, zusätzlichen und unberechtigten Mieterhöhungen – was auch alle drei Mietervereine in Münster so sehen – würde sonst Thema vor dem Amtsgericht. Dies wäre allerdings im Sinne der LEG-Mieter*innen in Münster.
Bei einem entsprechendem Urteil könnte die LEG schließlich generell auf die drei unredlichen Prozent Mieterhöhung, durch die in einem Jahr in der Stadt eine Geldsumme von über 1.000.000 Euro zusammenkommen dürfte, verzichten und damit die Mieter*innen erheblich entlasten.
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