Arbeit

DGB erstellt Tarifflucht-Atlas: Warum Tarifflucht uns alle teuer zu stehen kommt

Weniger Steuereinnahmen, weniger Zahlungen in die Sozialkassen, weniger Kaufkraft: Durch Tarifflucht und Lohndumping entgehen Deutschland jedes Jahr Einnahmen in Milliardenhöhe. „Das Geld fehlt für den sozialen Ausgleich und für dringend notwendige Investitionen in die Infrastruktur und in Bildung. Für immer weniger Beschäftigte und Betriebe in Deutschland gilt ein Tarifvertrag. Im Jahr 2018 waren nur noch 56 Prozent der Beschäftigten im Westen und 45 Prozent im Osten tarifgebunden. Damit haben ca. 20 Prozent der Beschäftigten in Ost und West in den letzten 20 Jahren den Schutz eines Tarifvertrages verloren“, kritisiert Carsten Peters, Stadtverbandsvorstand des DGB Münster.

Carsten Peters und Peter Mai (im Hintergrund) am 1. September 2018 auf der Kundgebung des DGB Münster zum Antikriegstag. Foto: Jan Große Nobis.

Und Peters weiter: „Das hat nicht nur Auswirkungen auf die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer selbst, sondern für die Allgemeinheit – und zwar auf verschiedenen Ebenen. Durch Tarifflucht und Lohndumping entgehen den Sozialversicherungen jedes Jahr rund 24,8 Milliarden Euro Beiträge. Bund, Ländern und Kommunen fehlen 14,9 Milliarden Steuereinahmen. Zusammen betragen die Mindereinnahmen rund 40 Milliarden Euro für ganz Deutschland und rund 3,5 Milliarden für NRW.“

„Der Staat muss seine öffentlichen Aufträge an Bedingungen für faire Bezahlung knüpfen“

Doch nicht nur die Unternehmen, auch die Politik sei in der Pflicht. Nach Auffassung des DGB Münster dürften öffentliche Aufträge und Fördergelder nur noch an tarifgebundene Unternehmen vergeben werden. „Es ist ein Unding, dass der Staat mit Steuergeldern auch noch Lohndumping unterstützt. Stattdessen sollte der Staat seine öffentlichen Aufträge an Bedingungen für faire Bezahlung knüpfen“, so der DGB-Stadtverbandsvorsitzende Peter Mai.

Weitere mögliche Hebel seien die Reform der Allgemeinverbindlichkeitserklärung (AVE) von Tarifverträgen sowie bessere Regelungen zu Nachbindung und Nachwirkung derselben. „Tarifverträge sichern den sozialen Frieden und gute Arbeit, sie sind ein hohes Gut in unserer Demokratie“, so Mai weiter. „Die Sozialpartnerschaft ist aber keine Einbahnstraße. Alle bisherigen Reformen des Tarifautonomiestärkungsgesetzes haben keinerlei Wirkung erzielt. Deshalb gehört eine hohe Tarifbindung und starke Sozialpartnerschaft ganz oben auf die Agenda der Bundesregierung. Sie muss jetzt zeigen, dass sie es mit der Stärkung der Tarifbindung ernst meint.“

Tarifbindung aller Arbeitnehmer*innen bringt eine Erhöhung der Kaufkraft in Ost und West um 35 Milliarden

Und: „Ohne Tarifvertrag hat der arbeitende Teil der Bevölkerung weniger Geld in der Tasche, das er ausgeben kann“, so Mai. Das wiederum habe Einfluss auf die Wirtschaft und die Konjunktur. Der DGB habe auf Grundlage der letzten Verdienststrukturerhebung des Statistischen Bundesamts berechnet, dass eine Tarifbindung aller Arbeitnehmer*innen eine Erhöhung der Kaufkraft in Ost und West um 35 Milliarden ergeben würde – und das Jahr für Jahr, so der DGB Münster.

Informationen zum Tarifflucht-Atlas gibt es beim Bundesvorstand des DGB. (jgn)