● Kein Unterlaufen des Mindestlohns ●
von Carsten Peters
Erfreulicherweise tritt zum 1.Januar 2015 nach jahrelangen Diskussionen und Verhand-lungen der gesetzliche Mindestlohn in Kraft. In einzelnen Branchen gibt es bereits einen Mindestlohn. Doch wie sind die Erfahrungen dort?
Regelmäßig erhält der DGB-Stadtverband Hinweise, dass der Mindestlohn in der Leiharbeit von 8,50 Euro durch Arbeitgeber unterlaufen wird. Zum 1.1.2014 war der Mindestlohn in West- Deutschland durch Tarifverträge für Leiharbeiter auf mindestens 8,50 Euro gestiegen. Dieser Mindestlohn greift jedoch erst nach drei Monaten.
Arbeitnehmer, die für Münsteraner Leiharbeitsfirmen tätig sind, berichten dem DGB, dass durch niedrige Einstufungen der Beschäftigten in Gehaltstabellen und durch „Versetzen“ der Beschäftigten im Betrieb nach zum Beispiel zwei Monaten der Anspruch auf den Mindestlohn umgangen wird. Eine Geschäftspraktik, die sich viele Leiharbeitsfirmen angeeignet haben, so Kenner der Branche.
Die Beschäftigten haben Angst ihren Arbeitsplatz zu verlieren, sind froh überhaupt Arbeit zu haben und gehen daher nicht mit den Belegen in die Öffentlichkeit. Bei den Unternehmen handelt es sich um in Münster ansässige Leiharbeitsfirmen. Kritisch sieht der DGB das Gebaren vieler dieser Unternehmen, die sich „Personaldienstleister“ nennen und die Flexibilität im Einsatz der Beschäftigten suggerieren, jedoch Lohndumping betreiben.
Für wirksame Kontrollen braucht es Personal
Als gesichert kann gelten: Um den Mindestlohn zu umgehen, werden Leiharbeiter niedriger eingestuft, als es Qualifikation und tarifliche Regelungen vorsehen. Eine gewerkschaftliche Erhebung hat ergeben, dass es in Münster etwa 48 Leiharbeitsfirmen gibt.
Der DGB fordert wirksame Kontrollen für die Einhaltung des Mindestlohns und appelliert an den Gesetzgeber, mit aller Kraft die Instrumente vorzubereiten, damit die Einhaltung des Mindestlohns ab Januar nachhaltig kontrolliert und der Mindestlohn wirklich wirksam wird.
Kontrolle ohne Kontrolleure?
Doch genau an diesen Kontrollen könnte es mangeln, wenn der allgemeine Mindestlohn als Lohnuntergrenze am 1.1.2015 in Kraft tritt. Eine Anfrage der Bundestagsabgeordneten Beate Müller-Gemmeke (Bündnis 90/Die Grünen) hat ergeben, dass es an ausreichendem Personal fehle, denn der Personalaufbau der 1.600 versprochenen neuen Stellen bei der Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) beim Zoll wird erst 2019 abgeschlossen sein. Das ist ein Skandal, denn ohne effektive Kontrollen steht der Mindestlohn am Ende nur auf
dem Papier – zu Lasten der Beschäftigten.
Die „Sollstärke des für die Umsetzung des Mindestlohngesetzes erforderlichen Personals“ sei voraussichtlich erst im Jahr 2019 erreicht. Dies ist natürlich zu spät, denn nur, wenn ab dem ersten Tag effektive Kontrollen greifen, kann der Mindestlohn auch seine geforderte Wirkung entfalten.
Ab Januar 2015 will die Bundesregierung dennoch wegen des Mindestlohns stärkere Kontrollen garantieren. Deshalb ist geplant, derzeit in der Ausbildung befindliche Anwärter verstärkt der Finanzkontrolle Schwarzarbeit zuzuordnen. Dies werde allerdings zu Lasten anderer Aufgabenbereiche beim Zoll gehen.
Die Gefahr besteht, dass in der Folge auch andere Aufgaben der FKS darunter leiden – wie beispielsweise die Prüfung der branchenspezifischen Mindestlöhne.
Doch auch uns gerade dort sind zielgerichtete und effektive Kontrollen notwendig – zum Beispiel für den Schutz der Beschäftigten in der Fleischwirtschaft.
Gestiegene Zahl an AufstockerInnenn in Münster
Es kann davon ausgegangen werden, dass die gestiegene Zahl an „AufstockerInnenn“ in Münster unter anderem auf dieses Geschäftsgebaren von Arbeitgebern zurückzuführen ist.
4.561 Menschen sind in Münster auf zusätzliche Hartz IV-Unterstützung trotz Berufstätigkeit angewiesen. Im Vergleich zu 2013 ist die Zahl um 5,4% gestiegen.
Arbeitgeber, mit einem solchen Geschäftsgebaren und solchen Niedriglöhnen stoßen sich auf Kosten der Steuerzahler gesund.
Mindestlohn: Nächste Schritte vorbereiten!
Während die FDP aus Angst vor dem Einbrechen der Konjunktur die Aussetzung des Mindestlohns gefordert hat, muss mit der Einführung des Mindestlohns das Nachdenken über dessen Erhöhung beginnen. Die Forderung nach 8,50 Euro pro Stunden ist inzwischen auch etliche Jahre alt, die Lebenshaltungskosten dementsprechend gestiegen.
Es ist bereits jetzt an der Zeit, die nächsten Schritte vorzubereiten, damit das Instrument „Mindestlohn“ sein Ziel erreicht: Nämlich ohne auf Unterstützung oder Aufstockung von der eigenen Hände Arbeit leben zu können.
Stadtrat Carsten Peters (carstenpeters@gmx.de) Bündnis 90/ Die Grünen. Er ist auch stellvertretener DGB Vorsitzender in Münster
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