Aus der Sperre Sommer 2019
Die Verhinderung von Betriebsräten und Gewerkschaftsarbeit in Betrieben wird zum lohnenden Geschäft
Ein Gastbeitrag von Torsten Bewernitz
Die große Mehrheit der Betriebe in Deutschland ist ohne Interessenvertretung der Arbeitnehmer*innen. Unternehmen, die ein Interesse daran haben, dass das in ihren betrieben so bleibt, greifen mitunter auf die Dienstleistung des „Union Busting“ zurück.
Das, was sich im Berliner Hostel „wombat‘s“ abspielte, erstaunt: Der Geschäftsführer sprühte beleidigende Graffiti gegen den einzigen in der Hostelkette bestehenden Betriebsrat vor sein eigenes Hotel. Da sich der Betriebsrat nicht einschüchtern ließ, wurde schließlich Anfang Mai 2019 die Schließung des Berliner Standorts angekündigt – nicht, weil es diesem wirtschaftlich schlecht ginge, sondern weil man „so nicht weiterarbeiten“ wolle. Das Unternehmen ist Opfer seiner eigenen Union-Busting-Strategie geworden. Doch: Die Eskalationsstrategie hatte nicht verfangen.
Union Busting, die gezielte Verhinderung von Gewerkschaftsarbeit und Betriebsräten, ist so alt wie die Gewerkschaftsbewegung selbst. Früher oft mit Gewalt ausgetragen, wird die Auseinandersetzung heute in Europa und den USA meist politisch und juristisch geführt. Gewaltsames Union Busting gibt es aber zum beispiel noch in Südafrika oder Bangladesch. Die heutige Methode des Union Busting entstand in den 1970er Jahren in den USA. Die „Welle“ schwappte mit den Deregulierungs- und Outsourcing-Tendenzen auch nach Deutschland. Es ist einerseits ein Geschäftsgebiet für windige Anwaltskanzleien und andererseits für entsprechende Stiftungen wie etwa Bertelsmann, Institute, Unternehmensberatungen wie McKinsey sowie Detekteien und Medienagenturen. Es werden arbeitgeberfreundliche „Gegen-Gewerkschaften“ gegründet, entsprechende Lehrinhalte in Jura und BWL vermittelt, Seminare für Unternehmer*innen und die Einflussnahme auf Rechtsprechung und Gesetzgebung organisiert.
Die große Mehrheit der Arbeitnehmer*innen ist ohne Betriebsrat
Die Vielfalt der Methoden ist dementsprechend, und Gerichtsprozesse sind nur die Spitze des Eisbergs: Mobbing am Arbeitsplatz, Verbreitung von Falschinformationen und antigewerkschaftlicher Hetze, Gründung von „alternativen“ Vertretungen („Mitarbeiter*innengremien“), Sabotage und Chaos bei Betriebsversammlungen, Pathologisierung und soziale Ausgrenzung von engagierten (zum beispiel durch Versetzungen) sowie sogar blanker Psychoterror. Häufig wird auch nicht vor falschen Beschuldigungen (Diebstahl, sexuelle Übergriffe etc.) Halt gemacht.
Aktuell haben nur neun Prozent der deutschen Unternehmen eine gesetzliche Mitarbeiter*innenvertretung. Rund 60 Prozent der Arbeitenden in Deutschland haben keine Vertretung durch einen Betriebsrat. Je kleiner ein Betrieb, desto unwahrscheinlicher ist die Existenz eines Betriebsrates. Mitbestimmung ist in Deutschland nicht die Regel, sondern die Ausnahme. Daher die oft aggressive Reaktion auf die Gründung von Betriebsräten. Ein Drittel der Betriebsrats-Verhinderungen ist „offiziell“ erfolgreich, das heißt: Der Betriebsrat wurde aufgelöst oder dessen Wahl verhindert. Die Dunkelziffer liegt weit höher: Verhinderungen im Vorfeld und die Arbeit existierender Betriebsräte in vergifteter Atmosphäre (wie bei „wombat‘s“ in berlin) werden nicht gezählt. Die Verhinderung von Betriebsratswahlen ist eine Straftat, wird aber oft als Bagatelle behandelt. Deswegen ist es wichtig, solche Fälle öffentlich zu skandalisieren, wie es seit Jahren Organisationen wie arbeitsunrecht.de, work-watch.de und Arbeitskreise der Gewerkschaften tun.
Noch wichtiger ist es, eine positive Grundlage im Betrieb selber zu schaffen: Das beste Mittel gegen Union Busting ist gute Gewerkschafts- und Betriebsratsarbeit. Diskussionen sollten im Betrieb geführt werden, die Kolleg*innen aktiv beteiligt werden. Schließlich geht es nicht um einen Konflikt zwischen einer Minderheit im Betrieb und dem Arbeitgeber, sondern um die Interessen aller Kolleg*innen.
Literaturtipp: Rügemer, Werner und Wigand, Elmar: Union Busting in Deutschland. Die Bekämpfung von Betriebsräten und Gewerkschaften als professionelle Dienstleistung. OBS-Arbeitsheft 77. Frankfurt a. M. 2014. Online unter: https://bit.ly/2EjVaIL
Torsten Bewernitz ist Redakteur bei „express. Zeitung für sozialistische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit“ (http://express-afp.info/)
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