Fernweh ade: In Deutschland gilt eine Residenzpflicht jetzt auch für Rentner*innen
Du bleibst hier, und zwar sofort! (Karl Valentin)
Eine Glosse von Robert Martschinke
Deutschland ist so umwerfend schön, da muss man eigentlich niemanden zum Bleiben überreden, oder?
Indes: Wer ein Arbeitsleben lang dermaßen ausgebeutet worden ist, dass ihm oder ihr im Rentenalter als Alternative zum zügigen Ableben nur die Almosenbettelei beim sogenannten Sozialamt bleibt, mag möglicherweise doch auf die Idee verfallen, die Altersfreizeit lieber im Ausland zuzubringen. Irgendwo dort, wo es zwar nicht ganz so doll, schön und fein, aber auch nicht so beschämend asozial zugeht wie hierzulande. Damit derartige Schnapsideen schön da bleiben, wo sie hin gehören, nämlich im Köpfchen, und es ihnen auch dort gar nicht erst warm wird, gilt dank Christdemokraten und Sozialdemokraten (Die heißen wirklich so!) seit Anfang des Jahres Paragraph 41a im Sozialgesetzbuch XII, der da konstatiert:
Leistungsberechtigte, die sich länger als vier Wochen ununterbrochen im Ausland aufhalten, erhalten nach Ablauf der vierten Woche bis zu ihrer nachgewiesenen Rückkehr ins Inland keine Leistungen.
Vulgo: Wer auf „Grundsicherung im Alter“ angewiesen ist und es wagt, sich selbst länger als 28 Tage am Stück von deutschem Grund und Boden zu entfernen, wird umgehend per Totalsanktionierung ausgebürgert. Geld weg, keinen Cent von Mutti Staat für treulose Vaterlandsflüchtlinge, weder für ein Leben, „das der Würde des Menschen entspricht“ (Selbstanspruch laut §1 SGB XII), noch sonst eins. Während die aus der Rentenkasse zehrende Pensionärin ihre alten Tage irgendwo im Ausland zubringen mag, wo es sich sowohl sonniger als auch billiger leben lässt, braucht der grundgesicherte Alte also nicht mal mehr beim Preisausschreiben in der Gratiszeitung mitzumachen. Wenn er von der als Hauptpreis ausgelobten vierwöchigen Nordkapkreuzfahrt nach Hause kommt, hat er Mietschulden, und der Kühlschrank bleibt leer.
So hält eine christliche, soziale Demokratie die Knochen des klapprigen Volkskörpers zusammen; und spart bestenfalls nebenbei noch doofe Sozialausgaben.
Und die Affen von der AfD klatschen wieder mal Beifall.
Ich weiß, man soll ältere Menschen nicht belehren, das gehört sich nicht. Aber wünschen darf man sich was, immer und alles, gerade jetzt, wo´s wieder Winter wird. Und darum wünsche ich mir an dieser Stelle einfach mal ganz still und leise, aber ganz, ganz feste, dass Millionen Rentner*innen bei so was vor Empörung die Fäuste ballen, dass die Knöchel knacken, sich noch mal, diesmal aber mit Maximallautstärke, auf youtube.com das Video zu „Run“ von den Foo Fighters reintun und geschlossen nach Berlin ziehen, um dort einigen Leuten mal mit Schmackes dahin zu treten, wo´s richtig weh tut. Zur Wahrung und Aufrechterhaltung einer urdeutschen bürgerlichen Tugend, die da heißt: Respekt vor dem Alter. Und eines universalen Menschenrechts: Freiheit. Und zwar für alle.
Wir werden alle nicht jünger. Und demnächst ist wieder Weihnachten. Da darf man das.
Wünschen, mein´ ich.
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