Seit 2019 heißt das „Frauenbüro“ im Stadthaus 1 – nach einem Beschluss des Stadtrates – „Amt für Gleichstellung“. Es steht allen Geschlechtern offen und auch LSBTIQ* Themen sind da repräsentiert.
Von Hans Römer Santaella
Das Grundgesetz verbietet die Diskriminierung von Menschen aufgrund des Geschlechts. In Artikel 3 heißt es: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“. Nicht zuletzt deswegen gibt es in Münster ein eigenes Amt für Gleichstellung. Die Mitarbeitenden und Beamt*innen dort arbeiten auch für queere Vielfalt in der Stadt.
Unter den schwierigen Bedingungen der Coronakrise, etwa stets mit Mundmaske zu arbeiten, bezog Markus Chmielorz 2020 sein neues Büro in der Klemensstraße 10. Sein „Credo“ lautet dort seit dem ersten Tag: „Menschen verdienen unabhängig von Geschlecht und ihrer sexuellen oder geschlechtlichen Identität die gleichen Rechte und die gleiche Wertschätzung. Lange wurde in der Bundesrepublik geschwiegen über die Verfolgung diskriminierter Gruppen“, sagt der oberste städtische LSBTIQ*-Verantwortliche im Gespräch mit der SPERRE.
Die Arbeit aller Mitarbeitenden im Amt ist vielfältig. Jeden Tag setzen sie sich für den gesellschaftlichen Anschluss aller Geschlechter ein und für „die Förderung von Respekt und Akzeptanz von geschlechtlicher und sexueller Vielfalt“. Ihr Einsatz gilt auch der Unterstützung verschiedener Institutionen in Münster, um deren Projekte, Aktionen oder Veranstaltungen zu fördern, um Vorurteile und Klischees gegenüber Menschen mit unterschiedlicher sexueller Identität abzubauen.
„Ein großer Teil unserer Arbeit ist die finanzielle Förderung von Organisationen und Projekten, damit andere Institutionen der Gesellschaft ihre Projekte und Beratungsangebote weiter gestalten können“, sagt Diplom-Pädagoge Chmielorz. Das Projekt „Münsteraner Mädchen*tag/Jungen*tag“ des AWO-Unterbezirks Münsterland- Recklinghausen ist ein solches Beispiel für die vom Amt geförderten Träger, genauso wie der Aids Hilfe e.V., Livas Verein für FLINT, KCM e.V., T-I-M-S. e.V. oder Pro Familia.
Gewalt und Rechte
Ebenfalls im Aufgabenbereich des Amtes liegen die Themen Diskriminierung, Stigmatisierung, oft unauffällig und indirekt, zum Beispiel bei der Wohnungsvergabe, am Arbeitsplatz oder in öffentlichen Räumen wie Cafés, Restaurants oder Clubs. Die Diskriminierung beginnt bei abwertenden Blicken, Gesten oder Sprüchen und kann sogar ausarten in offener Gewalt, Verfolgung und sogar der Ermordung von Menschen, nur aufgrund ihres Geschlechts oder ihrer anderen sexuellen und geschlechtlichen Identität. Das Gleichstellungsamt setzt dem bewusst etwas entgegen, „da jeder Mensch ein Recht auf ein gewalt- und diskriminierungsfreies Leben hat“. So steht es auf der offiziellen Homepage, auf der auch viele Infos und Links zu Rechten, Präventions- und Interventionsangeboten für Opfer von Gewalt gelistet sind sowie zu Beratungsstellen und auch Angebote für LSBTIQ*-Geflüchtete.
Der traurige Fall des 25-jährigen Transmannes Malte C., der 2022 in Münster während der Demonstration am Christopher Street Day schwer verletzt wurde und einige Tage später seinem Schädelhirntrauma erlag, hat die Debatte um Queerfeindlichkeit weiter verschärft – auch in Münster. Die queere Community reagierte entsetzt. „Damals gab es in NRW keine Ansprechpartner für Menschen, die wegen ihrer sexuellen Orientierung Opfer einer Straftat geworden sind“, erinnert sich Markus Chmielorz an den Tod von Malte C. Er verstarb einige Tage nach seinem Versuch, zwei lesbische Frauen gegen die Beleidigungen des 20-Jährigen Nuradi A. zu verteidigen. Der Täter wurde 2023 zu einer fünfjährigen Haftstrafe verurteilt.
Jugend und Gender
Die Mitarbeiter*innen des Amtes möchten die Selbstbestimmung und die Selbstermächtigung von Menschen fördern, damit sie ihre Interessen im Hinblick auf die Gleichstellung selbstbewusst vertreten können. Dazu arbeiten sie zusammen mit anderen Institutionen und Organisationen. Ein Beispiel dafür ist die Einrichtung von „Gender-neutralen Toiletten“ am Arbeitsplatz.
„Da für Trans*, Inter* und nonbinäre Jugendliche ihre Geschlechtsidentität in ihrem Alter sehr wichtig und identitätsstiftend ist, fördert das Gleichstellungsamt auch Projekte und Angebote zum Thema Gender und Jugend“, so Chmielorz, Mitbegründer des Landesprojekts „Schule der Vielfalt“. Den Namen trägt ein Bildungsprojekt, zu dem seit 2022 die Mathilde-Anneke-Gesamtschule in Münster gehört, und das ein weiteres landesweites Beispiel für Diversität, Qualität und Menschenwürde im Bildungssystem ist.
„Queer Guide“ und LSBTIQ*-Bekenntnis zu Münster
In Bezug auf Akzeptanz und Sensibilisierung gegen Homo- und Transfeindlichkeit gibt es noch einiges zu tun. In mehreren Praxen und Beratungszentren fehlt es an Personal und Ärzt*innen für die psychologische Beratung von Trans*-, Inter*- oder non-binären Patient*innen. Aber die gute Nachricht ist: Seit ein paar Wochen ist die entsprechende Anlauf- und Beratungsstelle im Polizeipräsidium Münster nicht mehr vakant. Das heißt, Menschen, die wegen ihrer sexuellen Orientierung zum Opfer werden oder sind, haben dort Ansprechpartner*innen, die ermitteln und helfen.
Es gibt bereits den „Queer Guide“, ein online Stadtplan von Chmielorz und Kollegen, der in Zusammenarbeit mit dem Katasteramt Münster erstellt wurde. Gelistet sind hier Vereine, Organisationen, Initiativen und Angebote für Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans*, Inter*- und queere Menschen in Münster.
Derzeit bereitet die Stadt Münster den Beitritt zum Internationalen „Rainbow Cities Network“ vor. Am 29. August hat der Ausschuss für Gleichstellung über die Vorschläge, die im Amt erarbeitet wurden, beraten und zur Abstimmung in den Rat gegeben.
Damit gibt die Stadt Münster ein permanentes LSBTIQ*-Bekenntnis zu einer „weltoffenen Stadt Münster“ ab. So erfüllt sich ein Wunsch der queeren Community. Aber es bleibt eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, sich gegen Diskriminierung, Ausgrenzung und Bedrohung von allen Frauen und Männern mit unterschiedlicher sexueller Orientierung einzusetzen.
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