Ausbeutung in internationalen Arbeitsverhältnissen
Von Arnold Voskamp
Dabei waren neben miesen Arbeitsbedingungen die Unterkünfte ein Skandal: Für eine Matratze im Mehrbettzimmer einer Sammelunterkunft wurden haarsträubende Mieten verlangt. Wer wegen Krankheit nicht arbeiten konnte, flog auch aus der Wohnung heraus und ähnliches. Durch gemeinsames Vorgehen von Gewerkschaften und Arbeitspolitikern in Land und Bund konnte das Arbeitsrecht so weit verbessert werden, dass die schlimmsten Missstände künftig nicht mehr passieren.
Das Geschäft der Ausbeuter läuft weiter
Auf internationaler Ebene läuft das ekelhafte Geschäft der Ausbeuter weiter: Holländische Schlachthöfe beauftragen Subunternehmen, die osteuropäische Wanderarbeiter im deutschen Grenzgebiet, zum Beispiel in der Stadt Goch, unterbringen und nach Holland zur Arbeit fahren. Zwar wird in Holland ein Mindestlohn garantiert, die Ausbeutung funktioniert dann jedoch über Wuchermieten im deutschen Grenzgebiet, wie im April bekannt wurde. Wer sich beschwert, steht wie im deutschen Beispiel unter dem Druck, Arbeit und Wohnung gleichzeitig zu verlieren. Report Mainz
Ein weiteres Beispiel: ein großer Teil des internationalen Warenhandels wird über osteuropäische Speditionen abgewickelt. Teilweise stecken Tochterfirmen deutscher Unternehmen dahinter, teils sind sie über Verträge mit deutschen Firmen als Subunternehmen tätig. Seit Ende März macht ein Streik an von Lkw-Fahrern an der Autobahn-Raststätte Gräfenhausen-West in Hessen Schlagzeilen. Die Fahrer – sie stammen meist aus Georgien und Usbekistan – fahren für einen polnischen Spediteur auch für deutsche Logistik-Unternehmen Waren durch Deutschland und ganz Europa. Dieser Spediteur steht seit längerer Zeit mit seinen Lohnzahlungen im Rückstand. Die Fahrer haben sich darum an dieser Raststätte versammelt, um gemeinsam für ihren Lohn zu streiken.
Spediteur schickt streikenden Fahrern Schlägertruppe vorbei
Der Spediteur hat daraufhin einen polnischen Sicherheitsdienst mit gepanzertem Fahrzeug nach Gräfenhausen geschickt, um die Fahrzeuge unter seine Kontrolle und die Fahrer an die Arbeit am Lenkrad zu pressen. Diese Selbstjustiz konnte mit polizeilichem Schutz verhindert werden.
Mit Unterstützung holländischer und deutscher Gewerkschaften unter Beteiligung der Beratungsstelle „Faire Mobilität“ versuchen die Fahrer an ihr Recht zu kommen.
Die Gewerkschaften fordern, dass deutsche Auftraggeber für faire Arbeitsbedingungen bei ihren Auftragnehmern und Subunternehmen sorgen müssen und bei Nichteinhaltung dafür verantwortlich gemacht werden. Hierzu ein Spiegel+ Artikel
Das ZDF berichtete am 18. April 2023 über einen drastischen Fall von Menschenhandel mit osteuropäischen Arbeitskräften. Sie waren unter Vorspiegelung von legalen und reell bezahlten Jobs nach Deutschland gelockt worden. Sie erhielten jedoch nicht mal den Mindestlohn. Vielmehr mussten sie über jede erlaubte Grenze hinaus arbeiten und für eine schäbige Unterkunft viel Geld bezahlen. Die deutschen Behörden, die von dem Fall Wind bekamen, nahmen den „Ausbeuter“, der keinen Mindestlohn bezahlt hatte und der die korrekte Abwicklung der Beschäftigungsverhältnisse nicht eingehalten hatte, in Haft. Der Betrieb, an den die Arbeitskräfte ausgeliehen waren, hatte keinerlei Verpflichtung gegenüber den Arbeitskräften. Die ausgebeuteten und betrogenen Beschäftigten erhielten weder ihr Recht noch weitere Unterstützung, sie wurden in ihre Heimat abgeschoben.
Unterstützung durch Beratungsstellen
Die „Beratungsstellen Arbeit“ (BSA) in der Nachfolge der Arbeitslosenberatungsstellen in Nordrhein-Westfalen unterstützen eingewanderte Arbeitskräfte, die mit den hiesigen Arbeitsbedingungen nicht klarkommen, die sich im deutschen Arbeitsrecht nicht auskennen oder die mit deutschen Sozialleistungen besseren Halt für sich und ihre Familien finden können. Die BSA stellen Kontakte zu Institutionen wie „Faire Mobilität“, zu Arbeitsrechtsanwälten und zu Gewerkschaften her. Kontakt in Münster ist:
Beratungsstelle Arbeit im cuba, Telefon (0251) 51 19 29
www.cuba-arbeitslosenberatung.de
Nachtrag vom 28. April 2023:
Lkw-Streik beendet
Der Streik der Lkw-Fahrer an der Raststätte Gräfenhausen in Südhessen ist nach sechs Wochen zu Ende gegangen. Das polnische Speditionsunternehmen hat nachgegeben und die ausstehenden Löhne komplett bezahlt. Ein Kunde (General Electric) hat dem Unternehmen mit Vertragsstrafen von 100.000 Euro für jeden Tag gedroht, den die Lieferung zu spät ankommt. Versuche des Speditionsunternehmers, die Lieferung freizubekommen, haben andere Lkw-Fahrer mit leeren Lkw verhindert.
Diesem Druck hat der Spediteur schließlich nachgegeben und die ausstehenden Löhne komplett nachbezahlt. Die Fernfahrer haben die Blockade erst beendet und die Schlüssel sowie Fahrzeugpapiere an die Spedition übergeben, nachdem der ausstehende Lohn bei jedem Fahrer angekommen war.
Der Erfolg wurde auch durch die Unterstützung niederländischer und deutscher Gewerkschafter möglich, die beispielsweise an der Organisation des Streiks und an der Verhandlung mit der Spedition beteiligt waren.
Verhandlungsführer Edwin Atema von der niederländischen Gewerkschaft NTF twittert dazu: „Diese Fahrer wurden von der Firma wie Tiere oder leichte Beute behandelt – aber sie haben sich wie ein Löwenrudel gewehrt und gewonnen.“ Dazu die taz
Und es geht noch weiter:
Wieder versammeln sich seit Juli LKW-Fahrer der Spedition Mazur in Gräfenhausen. Wieder protestieren sie wegen nicht gezahlter Löhne. Ein erster Versuch von Mazur war erfolgreich: 20 Fahrer gaben ihre LKW frei, nachdem Mazur ihnen ihren Lohn gezahlt hatte. Die anderen streiken weiter – und werden mehr. Anfang August waren über 100 LKW versammelt. Urlaubende PKW-Fahrer und andere beschweren sich über die weitgehend blockierte Raststätte, in der Regel jedoch erhalten die Fahrer viel Unterstützung aus der Bevölkerung. Im April hatten sich Gewerkschafter aus den Niederlanden und Deutschland („Faire Mobilität“) unterstützend an der Auseinandersetzung und den Verhandlungen beteiligt. Jetzt sind sie wieder gerufen worden.
Ein „Erfolg“ der Europäischen Einigung ist die Ausweitung des Warenverkehrs in der EU, mit den vollen Autobahnen, mit immer mehr LKW an Raststätten und mit ganz schlechten Arbeitsbedingungen der Fahrer. Wir sind gespannt, ob die EU-Politik in der Lage ist, solche Missstände zu verhindern. Dazu ein link
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