Wohnen

Ein Jahr nach dem großen Wohngipfel im Bundeskanzleramt: Gemeinsame Wohnraumoffensive krachend gescheitert

„Ein Jahr nach dem großen Wohngipfel im Bundeskanzleramt hat sich auf den Wohnungsmärkten in Deutschland nichts geändert. Die versprochene gemeinsame Wohnraumoffensive von Bund, Ländern und Kommunen ist krachend gescheitert“, so Lukas Siebenkotten, Präsident des Deutschen Mieterbundes (DMB). Er bilanziert: „Der Wohnungsneubau bleibt weit hinter den selbst gesteckten Zielen der Bundesregierung zurück. Der Bestand an Sozialwohnungen erreicht mit 1,18 Millionen einen historischen Tiefstand. Die bisherigen mietrechtlichen Verbesserungen reichen nicht aus, um die Bezahlbarkeit des Wohnens zu sichern. Die Mieten erreichen Rekordniveau, immer mehr Mieter haben Angst vor Verdrängung und Kündigung“. Die wohnungspolitischen Maßnahmen der Bundesregierung seien weitgehend untauglich, die Wohnungsprobleme zu lösen. Die mietrechtlichen Korrekturen bleiben im Ansatz stecken, können die ständig steigenden Mietpreise nicht stoppen, so Lukas Siebenkotten.

Die Kritik im Einzelnen an der Wohnungsbau-Strategie der gemeinsamen Wohnraumoffensive:

  • Wohnungsneubau: Ziel der Bundesregierung laut Koalitionsvertrag – bestätigt auf dem Wohngipfel im Bundeskanzleramt – ist es, in dieser Legislaturperiode 1,5 Millionen neue Wohnungen zu bauen. Statt der dafür benötigten 375.000 Wohnungen pro Jahr wurden 2018 aber nur 285.000 Wohnungen fertiggestellt. Anzeichen für höhere Fertigstellungszahlen in den nächsten Jahren sind nicht in Sicht – im Gegenteil, aktuell sinken die Baugenehmigungszahlen sogar.
  • Sozialer Wohnungsbau: Auf dem Wohngipfel wurde die Stärkung des sozialen Wohnungsbaus versprochen. Tatsächlich sank 2018 der Bestand an Sozialwohnungen auf einen historischen Tiefstand von 1,18 Millionen. Nach wie vor fallen zwei- bis dreimal so viele Wohnungen aus den Preisbindungen, wie neue Sozialwohnungen gebaut werden. 2018 waren es gerade einmal 27.000 Sozialwohnungen in ganz Deutschland.
    Positiv ist, dass sich nach einer erfolgten Grundgesetzänderung der Bund auch in den nächsten Jahren an der Förderung des sozialen Wohnungsbaus beteiligen kann. Die im nächsten Jahr zur Verfügung stehenden Finanzmittel von 1 Milliarde Euro liegen aber rund ein Drittel unter den Förderbeträgen der letzten beiden Jahre.

Lukas Siebenkotten, DMB, zur gescheiterten Wohnungsbau-Strategie: „In der Wohnungspolitik ist ein radikaler Kurswechsel notwendig. Die Impulse, die die Bundesregierung in den letzten zwölf Monaten versucht hat zu setzen, sind untaugliche Ansätze. Das milliardenschwere Baukindergeld wird vor allem für den Erwerb von Wohneigentum genutzt. Neubau, insbesondere in den Großstädten und Ballungsgebiete, entsteht nicht. Die zeitlich befristete Sonder-AfA für den Mietwohnungsneubau schafft, anders als versprochen, keinen Neubau im bezahlbaren Mietsegment. Dazu hätte eine Mietobergrenze beschlossen werden müssen.

Wir fordern 80.000 neue Sozialwohnungen pro Jahr und 75.000 Wohnungen, in denen Preisbindungen über Modernisierungsförderungen bzw. den Ankauf von Belegungsrechten geschaffen werden. Dazu müssen mindestens 60.000 steuerlich geförderte neue Wohnungen mit Mietobergrenzen entstehen. Bund und Länder müssen hierfür rund 9 Milliarden Euro pro Jahr zur Verfügung stellen.“

Auch die Änderungen am Mietrecht werden kritisiert:

  • Auf dem Wohngipfel im Bundeskanzleramt wurde beschlossen, den Mieterschutz zu verbessern, den Anstieg der Mietpreise zu dämpfen, um die Bezahlbarkeit des Wohnens zu sichern.
    Die Regelungen zur Mietpreisbremse wurden zum 1. Januar 2019 leicht verbessert. Modernisierungsmieterhöhungen wurden auf 2 bzw. 3 Euro pro Quadratmeter und Monat begrenzt, Vermieter dürfen nur noch 8 statt 11 Prozent der Modernisierungskosten auf die Jahresmiete aufschlagen. Neue Gesetzesinitiativen der Bundesregierung sehen jetzt vor, die Mietpreisbremse bis zum Jahr 2025 zu verlängern, Vermieter sollen verpflichtet werden, überhöhte, zu Unrecht kassierte Mieten vom Beginn des Mietverhältnisses an zurückzuzahlen, und der Betrachtungszeitraum bei der ortsüblichen Vergleichsmiete soll von 4 auf 6 Jahre verlängert werden.

Auch die Änderungen im Mietrecht reichen Lukas Siebenkotten nicht aus: „Es gibt Verbesserungen im Mietrecht, sie reichen aber bei weitem nicht aus, um den ständigen Mietpreisanstieg wirksam zu begrenzen. Mit weichgespülten Koalitionskompromissen können die Mietpreissteigerungen nicht gestoppt werden. Notwendig sind eine wirksame, nicht von Ausnahmen durchlöcherte und bundesweit geltende Mietpreisbremse für Wiedervermietungsmieten und Bußgelder für Vermieter, die das Gesetz ignorieren. Mieterhöhungen in bestehenden Mietverhältnissen sind auf 6 Prozent in 3 Jahren zu begrenzen. Bei der Berechnung der ortsüblichen Vergleichsmiete müssen alle Mieten und Mieterhöhungen der letzten 10 Jahre berücksichtigt werden. Mieterhöhungen nach Modernisierungen müssen sehr viel stärker begrenzt werden als bisher. Mieterhöhungen von bis zu 3 Euro pro Quadratmeter sind für die meisten Mieterhaushalte einfach nicht bezahlbar. Zur Realisierung der Klimaschutzziele sind energetische Modernisierungen aber unverzichtbar. Wir fordern eine Absenkung der Modernisierungsumlage auf höchstens 4 Prozent bei einer gleichzeitigen Aufstockung der Fördermittel auf 6 Milliarden Euro pro Jahr.“ (jgn)