Ein Gastbeitrag von Frank Biermann.
Die Wahl von Volker Nikolai-Koß zum neuen Regionsgeschäftsführer des DGB im Münsterland nahmen die Gewerkschaften zum Anlass, um zu einem kleinen Gipfeltreffen im Gewerkschaftshaus am Johann-Krane-Weg zusammen zu kommen. Die Gipfel-Teilnehmer*innen nutzten dies, einen kritisch-selbstkritischen Blick zurück und nach vorn zu werfen.
Flankiert von hauptamtlichen und ehrenamtlichen Vertreter*innen der GEW (Ulrich Thoden, Carsten Peters) der IG Metall (Heinz Pfeffer aus Rheine und Felix Spreen), verdi (Jutta Schultz) und der IG BAU (Georg Nießing) stellte Nikolai-Koß selbstbewusst fest: „Wir sind die politische Stimme der Münsterlandes, wir müssen zeigen, dass wir politikfähig sind und eine Organisationsmacht sind“. Und: „Wir wollen eine treibende Kraft in der Gesellschaft sein, da wo es nötig ist, sind wir auch laut und unbequem“. Und: „Der digitale Wandel ist gestaltbar, er darf nicht zu Lasten der Arbeitnehmer gehen“. In den Gremien in denen der DGB vertreten ist, z.B. in den Verwaltungsausschüssen der Arbeitsagenturen oder im Regionalrat soll die Stimme des DGB jedenfalls deutlich vernehmbar sein.
Jutta Schultz, seit knapp einem Jahr Bezirksgeschäftsführerin von verdi in Münsterland, konnte auf eine Reihe erfolgreich gelaufener Tarifrunden – im Einzel- und Großhandel, bei den Banken und im Sicherheitsgewerbe – verweisen. Der verdi-Blick richtet sich schon nach vorn auf die Tarifrunde im öffentlichen Dienst im Jahr 2020. Inhaltliche Schwerpunkte von verdi sind der Pflegenotstand, die Digitalisierung und die Mitgliederpolitik.
Die einzige DGB-Gewerkschaft mit steigenden Mitglieder*innenzahlen in den letzten Jahren ist die IG Metall. Deren Mitglieder sind nicht eben selten in der Automobilindustrie beschäftigt, die vor einem „dramatischen Wandel“ steht, so Heinz Pfeffer, IG Metall Geschäftsführer in Rheine, der die neue 1. Bevollmächtigte in Münster, Tanja Goritschan vertrat. Da der Verlust von Arbeitsplätzen absehbar und unvermeidbar ist, arbeitet die IG Metall an einem Modell für ein „Transformations-Kurzarbeitergeld“.
Mit Erschließungssekretären versucht die größte Einzelgewerkschaft des DGB weiße Flecken aufzuarbeiten, Betriebsräte in Unternehmen zu gründen, wo es noch keine gibt, Unternehmen wieder in die Tarifbindung zurückzuholen, da wo sie verloren gegangen ist. Die Zahl der Arbeitnehmer*innen, die noch unter dem wärmenden Mantel eines Tarifvertrages arbeiten, hat in der Vergangenheit dramatisch abgenommen. Branchenübergreifend, nicht nur im Zuständigkeitsbereich der IG Metall. Bei allen Unterschieden im Detail verbindet die Gewerkschaften ein weiteres Problem. Es ist immer schwieriger geworden, Arbeitnehmer*innen für eine Mitgliedschaft in der Gewerkschaft zu begeistern.
„Wir haben massive Probleme, die Mitglieder zu halten, besonders in den kleinen Betrieben“ stellte Georg Nießing, Bezirksvorsitzender der IG BAU Emscher-Lippe-Aa. fest. „Wir haben inzwischen Mitarbeiter eingestellt, deren Job nur darin besteht, Mitglieder zurückzuholen und zu halten, nach zwei, drei Jahren sind die sonst oft wieder weg“, so Georg Nießing.
Bei Frage wie man mit AfD-Mitgliedern in den eigenen Reihen umgeht, haben die Gewerkschaften noch keine einheitliche Lösung gefunden. Während Nikolai-Koß beim Pressegespräch Unvereinbarkeitsvereinbarungen noch ausschloss, berichtete Ulrich Thoden vom Stadtverband der GEW, dass es diese in seiner Gewerkschaft bereits gäbe. „Das Prinzip der Einheitsgewerkschaft bedeutet nicht, dass wir Hetzer und Rassisten in den eigenen Reihen dulden müssen. Ein weicher Dialog bringt da nichts“.
120.000 Menschen sind derzeit in einer DGB-Gewerkschaft organisiert. Tendenz bei der Jugend: Steigend. „Die Resonanz auf unsere 1. Mai-Veranstaltung in diesem Jahr war äußerst erfreulich. Das macht Mut“, so Koß.
Zuerst erschienen in der Münsterschen Volkszeitung.
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