Die Heimerziehung ist derzeit eine Großbaustelle, so die Caritas Diözese Münster: „Vor drei Jahren mussten fast über Nacht hunderte Plätze für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge geschaffen werden. Ungefähr die Hälfte ist inzwischen volljährig geworden und hat die Einrichtungen der Jugendhilfe verlassen. Dafür stellen immer mehr Kinder und Jugendliche mit seelischer Behinderung und ‚Systemsprenger‘ die Heime der Caritas in der Diözese Münster vor neue Herausforderungen.“ Weil dafür mehr Spezialangebote erforderlich werden, sei die Zahl der Plätze in der klassischen Heimerziehung im vergangenen Jahr auch nur leicht vom Spitzenwert 2017 mit 2.178 Plätzen auf 2.108 gesunken.
„Die Vermutung, dass wegen der demographischen Entwicklung weniger Kinder zu weniger Bedarf an Jugendhilfe führen könnte, ist längst zerstoben“, so Marion Schulte, die im Diözesancaritasverband die Entwicklung seit vielen Jahren beobachtet. „Besonders bedenklich“ sei die Zunahme der Kinder und Jugendlichen mit seelischer Behinderung. Noch sei die Zahl mit 78 Plätzen im Vergleich der Hilfen nicht dramatisch, aber sie sei in einem Jahr um 26 gewachsen und habe sich seit 2007 verdreifacht. Zunehmend fragten die Jugendämter auch für Kinder psychisch kranker Eltern an.
Neue pädagogische Angebote müssen zunehmend für „Systemsprenger“ entwickelt werden, die weder im Elternhaus, in der Schule und in „Regelgruppen“ der Heimerziehung klar kämen. Wobei dieser Begriff für Marion Schulte eigentlich nicht passt. Tatsächlich gehe es hier um Kinder und Jugendliche, die „bislang nicht die richtigen Hilfen“ bekommen hätten. Die gelte es zu finden und zu organisieren. „Hier arbeitet die Jugendhilfe an der Schnittstelle zur Psychiatrie“, erklärt Schulte.
Ungelöst bleibt seit Jahren das Problem, dass viele junge Erwachsene über den 18. Geburtstag hinaus Unterstützung benötigten. Das betreffe nicht zuletzt die jungen Flüchtlinge. Auch in den Familien „verschiebt sich das Erwachsenenalter“, beobachtet Schulte. Ebenso könnten viele Volljährige aus der Jugendhilfe noch nicht selbständig klarkommen. Es gebe zwar Regelungen, um weitere Hilfen gewähren zu können. Aber die Entscheidung liege bei der jeweiligen Kommune. „Viele Jugendämter finanzieren sie nicht“, sagt die Caritas-Referentin.
In verschiedene Richtungen spezialisiert hätten sich die Einrichtungen der Jugendhilfe schon in den vergangenen Jahren. Aber jetzt werde es darum gehen, „neue Spezialangebote zu entwickeln“, sagt Marion Schulte. Beispiele gibt es bereits in Münster mit einer Gruppe für essgestörte Mädchen oder die „Moritzburg“ für Kinder und Jugendliche, die durch Alkoholkonsum ihrer Mütter in der Schwangerschaft beeinträchtigt sind. (jgn)
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