Warum eine Wohnraumschutzsatzung für Münster sinnvoll ist
Haben Sie schon einmal im Internet auf den gängigen Portalen Airbnb oder Booking.com nach einer Ferienwohnung in Münster gesucht? Es ist interessant, was alles angeboten wird. Da drängt sich die Frage auf, ob dieser Wohnraum nicht eigentlich dauerhaft vermietet werden müsste.
Wie viele Wohnungen in Münster der Ferienvermietung dienen und nicht mehr zum dauerhaften Wohnen zur Verfügung stehen, ist unklar. Laut einer Prüfung der Stadt Münster vom 3. Dezember 2019 wurden wurden allein an einem Tag375 Ferienunterkünfte angeboten, wovon mehr als die Hälfte auf komplette Wohnungen entfiel. Man kann davon ausgehen, dass es sich bei einem hohen Prozentsatz um ungenehmigte Vermietungen, also Zweckentfremdungen handelte.
Es ist nicht erlaubt, eine Wohnung ohne entsprechende Genehmigung als Ferienwohnung zu vermieten. Durchaus möglich, dass dies in weiten Teilen der Öffentlichkeit immer noch nicht bekannt ist. Sogar innerhalb der Stadtverwaltung gab es hierüber in 2019 noch Unkenntnise.
Die Vorgeschichte
Bereits 1971 wurden die Bundesländer per Gesetz ermächtigt, für Gemeinden, in denen die Versorgung der Menschen mit ausreichendem Wohnraum zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist, dem Mangel durch Rechtsverordnungen entgegen zu wirken. Diese konnten etwa eine Genehmigung für den Fall vorschreiben, wenn vorhandener Wohnraum anders als zum dauerhaften Wohnen genutzt werden soll. Nordrhein-Westfalen (NRW) hatte von dieser Möglichkeit mit einer Zweckentfremdungsverordnung Gebrauch gemacht. Auch Münster war einbezogen. Durch einen Beschluss der damaligen schwarz-gelben Landesregierung wurde diese Verordnung 2007 aufgehoben.
Bis zum März 2015 gab es keinerlei Regelung, die ein Eingreifen ermöglicht hätte, wenn aus Wohnungen Büros oder Therapieräume wurden, Wohnungen leerstanden oder als Ferienwohnungen vermietet wurden. Eigentümer und Eigentümerinnen-/ von Wohnraum konnten in diesen acht Jahren diesbezüglich tun und lassen, was sie wollten.
Das wirkt sich leider bis heute aus: Wohnungen, die schon vor 2015 als Ferienwohnung vermietet wurden, sind von der aktuell geltenden Wohnraumschutzsatzung nicht betroffen. Gegen diese Vermieter bzw. Vermieterinnen kann juristisch nicht vorgegangen werden, da es in dem genannten Zeitraum ja nicht verboten war, die Miet- in eine Ferienwohnung umzufunktionieren. Wegen der anhaltend geübten zivilgesellschaftlichen Kritik daran gerieten die angespannten Wohnungsmärkte jedoch in den Folgejahren zunehmend in den Fokus von Öffentlichkeit und Politik.
Nach dem Regierungswechsel trat 2014 in NRW das Wohnungsaufsichtsgesetz (WAG)
in Kraft. Dieses gibt Kommunen Instrumente an die Hand, gegen Vermieter oder Vermieterinnen vorzugehen, die Wohnungen unnötig leerstehen oder verwahrlosen lassen oder sie gewerblich als Ferienwohnungen vermieten. Hiervon machte Münster Gebrauch und erlies eine Wohnraumschutzsatzung, die Im März 2015 in Kraft trat. Satzungen haben eine Gültigkeit von fünf Jahren. Es war also notwendig, in diesem Jahr eine neue Satzung auf den Weg zu bringen. Am 12. Februar wurde sie vom Rat der Stadt Münster beschlossen, am 21. März 2020 tritt die neue Wohnraumschutzsatzung in Kraft.
Was kann die Wohnraumschutzsatzung leisten?
Es geht grundsätzlich, wie es in dem WAG des Landes heißt, um die Sicherstellung einer ausreichenden Wohnraumversorgung der Bürger und Bürgerinnen. Ziel ist es, eine Vergrößerung des Wohnungsnotstandes zu verhindern. Die Stadt Münster kann also mit Hilfe der Satzung gegen eine unzulässige Zweckentfremdung vorgehen.
Eine Zweckentfremdung liegt insbesondere vor, wenn der Wohnraum
überwiegend für gewerbliche oder berufliche Zwecke verwendet oder überlassen wird,
für die Zwecke einer gewerblichen Zimmervermietung oder für Zwecke der Fremdenbeherbergung überlassen oder genutzt wird. Eine gewerbliche Zimmervermietung liegt vor, wenn der Wohnraum von einem gewerblichen Zwischenmieter oder vom Eigentümer jeweils nur für kurze Dauer an häufig wechselnde Nutzer überlassen wird und dabei eine Miete erzielt wird, die bei einer auf Dauer angelegten Vermietung nicht zu erzielen wäre. Eine Überlassung nur für kurze Dauer an häufig wechselnde Nutzer liegt insbesondere vor, wenn diese die Räume nur vorübergehend ohne Meldung als Wohnsitz nutzen.
baulich derart verändert oder in einer Weise genutzt wird, dass er für Wohnzwecke nicht mehr geeignet ist,
länger als drei Monate leersteht,
ganz oder teilweise abgebrochen wird.
Das klingt alles sehr beeindruckend. Allerdings gibt es im weiteren Text der Satzung auch viele Einschränkungen, wann eine Zweckentfremdung nicht vorliegt. Wer dies im Einzelnen nachlesen möchte, findet die Satzung im Internet auf der Seite der Stadt Münster/Amt für Wohnungswesen. Die Wohnraumschutzsatzung ermöglicht es der Verwaltung, gegen unzulässige Zweckentfremdungen vorzugehen. In der Kommunikation mit den Eigentümern kann sie notfalls Bußgelder und wohnungsrechtliche Anordnungen zur Wiederherstellung der Wohnnutzung anordnen. Sogar Geldbußen bis zu 50.000 Euro können verhängt werden.
Ein Beispiel
Sie wohnen als Mieter oder Mieterin in einem Vier-Parteien Haus und Ihre Nachbarn ziehen aus. Nach einiger Zeit stellen Sie fest, dass sich wechselnde Personen, häufig mit Rollkoffer und überwiegend zum Wochenende, in der Nachbarwohnung aufhalten. Von Montag bis Freitag steht die Wohnung häufig leer. Auch im Haus insgesamt ändert sich was: Es ist jetzt oft sehr unruhig. Wer hat alles Zugang zum Haus, zum Keller? Die Treppenhausreinigung wird nicht mehr von dieser Wohnungspartei mitübernommen. Die Kommunikation im Haus verändert sich.
Auf Nachfrage oder bei der Recherche im Internet finden Sie heraus, dass diese Nachbarwohnung zu einem sehr guten Preis als Ferienwohnung angeboten wird.
Erhält das Amt für Wohnungswesen Kenntnis davon, dass diese Wohnung nicht mehr dem Wohnungsmarkt zur Verfügung steht, wird dem nachgegangen. Sollte sich die Annahme bestätigen, kann angeordnet werden, diesen Wohnraum wieder auf dem regulären Wohnungsmarkt anzubieten, eventuell unter Androhung eines Bußgeldes.
Die Realität
Es ist in der Praxis ausgesprochen mühsam festzustellen, wer eine Ferienwohnung in unzulässiger Weise anbietet. Die genauen Adressen sind nicht genannt, es gibt lediglich eine Kontaktperson, meistens nur einen Vornamen. Wird auf die Vermietung als Ferienwohnung durch betroffene Nachbarn hingewiesen, lassen sich die Anbietenden in der Regel schnell feststellen. Ansonsten muss man als Interessent bzw. Interessentin auftreten, um überhaupt in Kontakt zu Anbieter oder Anbieterin zu kommen.
In Berlin, Bayern und Hamburg ist dies mittlerweile einfacher geworden, da es dort eine Registrierungspflicht gibt. Dafür sorgt in allen drei Bundesländern ein eigenständiges Gesetz. Es regelt alles – über die Anzeige, Registrierung und auch Sanktionierung –, was bei der Nutzung von Wohnungen als Ferienwohnungen via Online-Plattformen zu regeln ist.
In NRW gibt es so etwas bislang nicht. Es ist unbedingt notwendig, dass für diesen Bereich endlich die gesetzlichen Voraussetzungen geschaffen werden. Immerhin gibt es inzwischen Forderungen vom Städtetag NRW, das Wohnungsaufsichtsgesetz entsprechend zu ändern. Das Ziel besteht darin, mit neuen rechtssicheren Instrumenten wirksam gegen illegale Kurzzeitvermietungen vorzugehen und vorbeugend künftige illegale gewerbliche Vermietungen von Wohnungen an Touristen zu verhindern. Dafür ist eine Registrierungspflicht gepaart mit durchsetzbaren Kontroll- und Sanktionsmechanismen zu fordern.
Gegenwärtig ist allerdings zu bezweifeln, dass die Düsseldorfer Landesregierung dazu bereit ist. Im Koalitionsvertrag hatte sie noch angekündigt, den Kommunen die Möglichkeit zu nehmen, Wohnraumschutzsatzungen zu erlassen. Selbst wenn es danach aktuell nicht aussieht, wird vermutlich die Bereitschaft, Voraussetzungen für eine effektive Umsetzung der bestehenden Regelungen zu schaffen, kaum gegeben sein.
Was ist zu tun?
Es muss ein Bewusstsein dafür geschaffen werden, dass die wiederholte Vermietung von Wohnungen zu touristischen Zwecken unzulässig ist. Das ist kein Privatvergnügen, sondern der für uns alle nicht hinnehmbare Entzug von dringend benötigtem Wohnraum. Viele Städte machen durch Plakataktionen darauf aufmerksam, dass die Vermietung von Ferienwohnungen nur mit Genehmigung zulässig ist. In Münster fehlt es bislang an entsprechenden Informationen.
Des Weiteren muss die Satzung auch angewendet werden. Dies erfordert ausreichend Personal, um effektiv und schnell handeln zu können. Es darf nicht sein, dass von dem Hinweis auf eine möglicherweise unzulässige Ferienwohnung, auf einen Leerstand oder Nutzung einer Wohnung ausschließlich als Büroraum, bis zur ersten Nachfrage, wer Eigentümer oder Eigentümerin ist, Monate vergehen.
Die Landesregierung muss so schnell wie möglich das Wohnungsaufsichtsgesetz ändern, damit die Voraussetzungen für ein wirksames Handeln geschaffen werden. Ohne eine Registrierungspflicht für Kurzzeitvermietungen, verbunden mit Kontroll- und Sanktionsmöglichkeiten, wird der Ferienwohnungsmarkt weiter zulegen und den Wohnungsmarkt zusätzlich belasten.
1Ulla Fahle ist Juristin und arbeitet beim Mieter/innen-Schutzverein Münster und Umgebung e.V.
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