Nach dem Baustopp: Wie geht es weiter und was wünschen sich die örtlichen Bürgerinitiativen im Hafenviertel?
Im April 2018 entschied das Oberverwaltungsgericht, dass der Bebauungsplan für das Hafencenter nichtig sei. Im Februar dieses Jahres folgte dann der Baustopp durch das Oberverwaltungsgericht (OVP). Die Stadt Münster überlegt nun seit Längerem, wie sie den Bebauungsplan „heilen“ kann. Die Initiativen im Viertel, die das Bauvorhaben kritisieren, haben dagegen andere Vorschläge.
Die SPERRE sprach darüber und über die Zukunft des Hafenviertels mit Heiko Wischnewski von der Initiative „Platanen Power“ und Rainer Bode von der „Initiative Zukunft Hafen.
SPERRE: Rainer Bode, die Klage gegen das Hafencenter ist auf Ihre Initiative hin eingereicht worden. Warum?
Rainer Bode (RB): Der Hauptkritikpunkt ist das große Einkaufszentrum innerhalb des Hafencenters. Wir haben immer gesagt, im Viertel gibt es genug Einkaufsmöglichkeiten. Es gibt jeweils einen Rewe-Markt am Hansaring, an der Warendorfer und an der Wolbecker Straße. Es gibt dort den Penny-Markt. Es gibt viele weitere kleine Geschäfte. Die Quote fürs Einkaufen ist groß genug. Nämlich über hundert Prozent, so eine Studie. Insofern ist das Hafencenter überhaupt nicht notwendig. Das ist die eine Seite.
Die andere Seite ist, dass große Einkaufszentren auch immer mehr Verkehr anziehen. Schon jetzt gibt es viel zu viel Verkehr auf dem Hansaring. Ein neues großes Einkaufszentrum würde zum Verkehrskollaps führen. Entgegen anderslautender Meinung der Stadt ziehen nämlich große Einkaufszentren immer zusätzlich Verkehr an. Dagegen richtet sich die Klage, die wir betreuen.
Im Jahr 2015 hatten die Fraktionen von CDU, FDP und SPD im Rat der Stadt Münster das Bauvorhaben beschlossen: In der Kurve des Hansaringes sollte das Hafencenter entstehen –mit E-Markt, Geschäften, Tiefgarage und Büroräumen. Die Kritik der Anwohner*innen hatte nicht gefruchtet. Die Befürchtungen waren, dass Lärm und Verkehr auf dem Hansaring soweit ausuferten, dass ein Wohnen an der Straße unmöglich geworden wäre. Schließlich ist dort schon ohne Hafencenter viel los. Im April 2018 erklärte das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster den Bebauungsplan für nichtig. Im Februar 2019 folgte der Baustopp, erneut per Gerichtsbeschluss. Nun stellt sich die Frage: Wie geht es weiter?
Das Bauvorhaben ist vom OVG gestoppt. Was will die Stadt nun tun?
RB: Die Stadt probiert natürlich, den Bebauungsplan zu „heilen“. Es gibt jetzt noch am 6. September [nach Redaktionsschluss, aber vor Erscheinen dieser SPERRE-Ausgabe; Anmerkung d. Red.] eine Klage vor dem Verwaltungsgericht. Dort steht die Sachentscheidung an. Ich hoffe, dass damit die Baugenehmigung mehr oder weniger kassiert wird. Dann ist die Stadt dran, einen neuen Bebauungsplan aufzustellen. Sie muss dann ein neues Verkehrskonzept vorlegen, mit dem der alte Bebauungsplan geheilt wird. Die Stadt bastelt daran aber schon über ein Jahr. Erst hatte sie eine Heilung des Bebauungsplans für den Herbst letzten Jahres angekündigt, dann fürs Frühjahr, dann für den Sommer. Nun heißt die Prognose: Oktober bzw. November.
Ich glaube kaum, dass sie einen sinnvollen geheilten Plan hinbekommt. Die Verkehrssituation ist halt so, wie sie ist, und wird durch ein Hafencenter niemals besser. Wie sie also in einer solchen Situation das Bauverfahren heilen wollen, steht in den Sternen!
Alternativen: Quartiersgarage und bezahlbarer Wohnraum
Sie machen Gegenvorschläge, was soll Ihrer Meinung nach dort entstehen?
RB: Erst einmal: Ehe wir Gegenvorschläge umsetzen können, muss ein grundlegendes Umdenken einkehren. Kernpunkt ist immer: Statt „kaufen, kaufen, kaufen“ muss es heißen: „wohnen, wohnen, wohnen“!
Der Abschnitt, der schon bebaut ist, muss nicht abgerissen werden. Man kann zum Beispiel die Tiefgarage zu einer Quartiersgarage umnutzen. Das würde für das ganze Quartier eine Entlastung bedeuten, wenn der Hansaring nicht mehr Parkplatz, sondern Grünfläche ist. Dann sind da im Rohbau kleinere Geschäftsräume fertig. Auf der Fläche, wo der eigentliche E-Markt erbaut werden sollte, dort sollten neue Wohnungen entstehen. Mit der Vorgabe: Ein Teil muss als sozialer Wohnungsbau ausgewiesen werden.
Aber was sind für Sie die Knackpunkte?
Heiko Wischnewski (HW): Was wir im Viertel auf jeden Fall brauchen, ist bezahlbarer Wohnraum. Daran mangelt es dort überall. Was wir auch brauchen, sind weitere Grünflächen. Die haben wir jetzt gerade mal auf dem Hansaplatz und dem Bremer Platz. Was wir nicht brauchen, ist mehr Verkehr. Das Verkehrsproblem muss also gelöst werden. Deswegen ist ja auch das Bauvorhaben gestoppt worden.
Es müssen aber auch die Ideen des Hafenforums und die damaligen Eingaben der Anwohner*innen gegen das Hafencenter berücksichtigt werden. Es war eine neue Markthalle im Gespräch, ein soziales Zentrum und noch viele andere sinnvolle Ideen. Was uns halt wichtig ist, ist, dass die Nachbarschaft, die sehr gut funktioniert, nicht gesprengt wird. Die Bürgerinnen und Bürger müssen gefragt werden, wie es weiter gehen soll. Es müssen dann natürlich auch Kompromisse geschlossen werden – klar. Eine Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger darf aber keine Alibiveranstaltung werden!
Das Zünglein an der Waage: die SPD
Nun, eigentlich liegt es an der SPD. Je nachdem, was die im Rat will, könnte es irgendwann weitergehen wie bisher oder in Richtung Ihrer Vorschläge gehen. Die SPD-Fraktion ist das Zünglein an der Waage im Stadtrat. Was erwarten Sie von den Sozialdemokraten?
HW: Wir erwarten, dass die SPD Münster ihren eigenen Ortsverein Hansa-Hafen ernstnimmt, der sich ja schon immer gegen das Hafencenter ausgesprochen hat. Wir erwarten, dass sie eine ganz neue Herangehensweise befürwortet. Bisher ist das Verfahren undemokratisch abgelaufen. Das war zwar alles legal, das will ich nicht bezweifeln. Auf die Wünsche der Bürgerinnen und Bürger wurde aber nicht gehört. Ich denke, die SPD sollte sich dafür einsetzen – für die Belange der Anwohnerinnen und Anwohner.
RB: Die SPD hat nicht auf die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger gehört, weil sie eine andere Präferenz hatte: Wir stehen im Wort als SPD für das Einkaufszentrum, hieß es. Wir haben 2015 einen Kompromiss – das Konzept wurde ein wenig abgespeckt – gemacht, hieß es. Aber zunächst warten sie ab nach dem Motto: Man muss erst die neue Vorlage zum Bebauungsplan sehen. Dann will die SPD entscheiden. Das verzögert natürlich nur alles. Wir wollen nicht, dass da ewig eine Baustelle ist, das war nie unsere Intention.
Auch Michael Jung von der SPD hat gesagt, dass man das ganze Hafengelände sehen muss: die alten Osmo-Hallen, wo Deilmann-Kresing bauen ebenso, wie das Areal zum Hafencenter. Man muss gemeinschaftlich darüber reden. Das muss man versuchen anzugehen.
Auch das Hafenviertel ist inzwischen von der Gentrifizierung betroffen. Was erwarten Sie von der Stadt?
RB: Wir müssen uns ernsthaft über das Problem unterhalten, dass aus dem Viertel immer mehr Leute wegziehen. Was muss man alles tun – sei es planungsrechtlich oder durch Gespräche mit Eigentümern und Eigentümerinnen –, damit das kleinräumliche Flair des Viertels erhalten bleibt. Wir wollen weiterhin einen offenen Stadtteil – Herz-Jesu, Hansa und Hafen, durchlässig gestaltet. Mit kleinen Einkaufsmöglichkeiten und mit niedrigen Mieten.
Man wird die Gentrifizierung nicht gänzlich aufhalten. Aber sie muss sozial abgefedert organisiert werden. Es gibt ja genossenschaftliches Wohnen, es gibt andere Investor*innen, die nicht nur aufs Geld schauen. Die Kreuzberger*innen in Berlin machen das jetzt ja vor: Die kaufen immer mehr zurück und wandeln es in städtisches Eigentum um. Auch wir müssen sehen, dass die Grundstücke nicht weiter privat verkauft werden – da wo es geht!
HW: Ich finde es auch wichtig, dass die Stadt wieder Grundbesitz für sich ankauft, um den Gentrifizierungsprozess zu verlangsamen. Was aus meiner Sicht auch helfen würde, wäre eine Milieuschutzsatzung. Ich weiß von einigen Leuten, die schon wegen des Verkaufs der Häuser, in denen sie wohnten, ausziehen mussten oder wegen der Lärmbelastung am Hansaring wegzogen. Unser Viertel wird also schon ein bisschen auseinandergerissen. Und ich erwarte schon, dass sich die Stadt darum kümmert, dass es nicht so weitergeht. Klar ist das schwierig. Die Besitzverhältnisse sind so, wie sie sind. Man kann das aber natürlich ändern. Ich rede jetzt nicht von Enteignungen. Ich rede davon, dass die Stadt zum Verkauf stehende Häuser ankauft. Mietendeckel und bzw. oder Milieuschutzsatzung sind da auch Möglichkeiten.
Wie sieht die Zukunft des Viertels aus?
HW: Das hängt auch stark davon ab, was man im Gebiet Neuhafen an Neuem baut. Wenn der Stadtbaurat Robin Denstorff von Aufwertung des Viertels spricht, ist das aus städtebaulicher Sicht vielleicht sinnvoll. Für die Bewohnerinnen und Bewohner Sdes Viertels ist es aber keine Aufwertung, sondern eine Auflösung des jetzigen Viertels.
Das betrifft halt jede*n, der*die da wohnt. Und die Leute wohnen da – noch – gerne. Das Viertel funktioniert halt – noch. Und es wird gerade auseinandergerissen. Die Stadt muss also mit jeder Möglichkeit dagegenhalten. Aber im Moment sieht es danach nicht aus.
Ich danke Ihnen für das Gespräch.
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