Bessere Dokumentation durch europäische Richtlinie:
Gesetz macht Arbeitsbedingungen transparenter
Ein Gastbeitrag von Carsten Peters*
Eine europäische Richtlinie zu transparenten und vorhersehbaren Arbeitsbedingungen ist in das deutsche Recht übernommen worden. Das neue Gesetz trat zum 1. August 2022 in Kraft. Seitdem müssen Arbeitgeber ihre Arbeitnehmer*innen bei Arbeitsbeginn über mehr Inhalte ihres Arbeitsvertrages schriftlich informieren.
Einige neue Regelungen hin zu mehr Verlässlichkeit und Vorhersehbarkeit sind ebenfalls getroffen worden. Kern sind im Wesentlichen Nachweispflichten, die es für die Arbeitnehmer*innen erleichtern sollen, ihre Rechte einzufordern und durchzusetzen.
Der DGB und seine Mitgliedgewerkschaften haben die Umsetzung der EU-Richtlinie über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen ausdrücklich begrüßt. Gleichwohl fehlen in der erfolgten Umsetzung wichtige Aspekte, die eine Rechtsdurchsetzung auch tatsächlich erleichtert hätten. Der DGB begrüßt, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer*innen nunmehr über weitere vereinbarte Bedingungen einen schriftlichen Nachweis erbringen muss. Der erste Schritt zur Rechtsdurchsetzung ist die Kenntnis der Vertragsbedingungen. Eine schriftliche Bestätigung erfüllt hierbei nicht nur den Zweck, dass man weiß, was vereinbart ist. Sie erleichtert es auch vor Gerichten den Beweis zu erbringen, dass eine Vereinbarung tatsächlich getroffen wurde. Sehr gut ist ferner, dass nunmehr eindeutig im Gesetz eine Fortbildung als Arbeitgeberaufgabe klargestellt wird. Wenn ich die Fortbildung zur Erbringung meiner Arbeitsleistung brauche und der Arbeitgeber verpflichtet ist, sie anzubieten, dann muss er sie auch bezahlen und sie muss in der Arbeitszeit liegen.
Was regelt das Nachweisgesetz?
Das Nachweisgesetz regelt, dass Arbeitnehmer*innen bei Beginn der Tätigkeit Informationen über die getroffenen wesentlichen Vereinbarungen schriftlich auszuhändigen sind. Denn obwohl viele einen schriftlichen Arbeitsvertrag haben, ist das für einen rechtskräftigen Vertrag keine Voraussetzung. Grundsätzlich kann jeder Arbeitsvertrag auch mündlich oder sogar durch einfaches „Losarbeiten“ geschlossen werden. Das Nachweisgesetz ermöglicht es dem/ der Arbeitnehmer*in, einen entsprechenden schriftlichen Beleg darüber zu erhalten, was genau mit dem Arbeitgeber vereinbart wurde und das unabhängig vom Arbeitsvertrag.
Über welche Bedingungen genau der Arbeitgeber schriftlich unterrichten muss, ist in § 2 des Nachweisgesetzes geregelt. Das Nachweisgesetz und die Verpflichtung, wesentliche Informationen mitzuteilen, gab es schon vorher. Jetzt sind es aber mehr Vereinbarungen, die der Arbeitgeber schriftlich bestätigen muss.
So bestand schon immer eine Verpflichtung, darüber zu unterrichten, wer überhaupt einen Vertrag schließt – das klingt sehr banal. Ist aber heute angesichts komplizierter Firmenverflechtungen für die einzelne Arbeitnehmer*in manchmal gar nicht so leicht zu durchschauen. Auch wann das Arbeitsverhältnis beginnt, wo gearbeitet wird, was gearbeitet wird und wie lange man für wieviel Geld arbeitet, muss der Arbeitgeber aufschreiben. Auch wenn Tarifverträge im Arbeitsverhältnis gelten sollen, muss der Arbeitgeber das schriftlich bestätigen. Neu ist, dass auch auf anwendbare „kirchliche Vertragsbedingungen“ – also die AVR (Diakonie, Caritas etc.) – hingewiesen werden muss.
Die Nachweispflichten des Arbeitgebers wurden um einige wichtige Aspekte ergänzt:
Das Arbeitsentgelt muss jetzt viel genauer durch den Arbeitgeber angegeben werden: Jeder Bestandteil (zum Beispiel eine Prämie, Zulage, Zuschlag) muss einzeln aufgelistet werden. Die Angabe nur einer Bruttosumme ist nicht mehr ausreichend. Vielmehr muss man genau erkennen können, wie sich das Entgelt zusammensetzt.
Die Mitteilung, dass die Arbeitszeit 40 Stunden in der Woche beträgt, reicht nun nicht mehr aus. Der Arbeitgeber muss auch sagen, welche Ruhezeiten und Ruhepausen vereinbart sind. Konkret ist anzugeben, ob die Möglichkeit der Anordnung von Überstunden vereinbart ist und unter welchen Voraussetzungen er diese anordnen darf und wie sie genau vergütet werden.
Eine wichtige Änderung bei der Arbeitszeit besteht auch für Schicht- und Dienstplanarbeiter*innen: Das Schichtsystem, der Schichtrhythmus und vor allem auch die Voraussetzungen für Schichtänderungen müssen ausgewiesen werden. Ein einfache Formulierung wie „die Verteilung der Arbeitszeit erfolgt nach betrieblichen Erfordernissen unter Berücksichtigung billigen Ermessens“ gehört damit bei der Arbeit nach Schicht- und Dienstplänen der Vergangenheit an.
Früher musste der Arbeitgeber übrigens nur auf die Kündigungsfristen hinweisen. Neu ist jetzt, dass der Arbeitgeber die Arbeitnehmer*innen auch über das einzuhaltende Verfahren unterrichten muss.
Bis wann muss der Arbeitgeber was mitteilen?
Ab dem ersten Tag: Name und Anschrift der Vertragsparteien sowie die Zusammensetzung und die Höhe des Entgelts. Hierbei muss auch über die Vergütung von Überstunden, die Zuschläge, die Zulagen, Prämien und Sonderzahlungen sowie alle anderen Bestandteile des Arbeitsentgelts unterrichtet werden.
Wichtig ist auch, dass jeder Entgeltbestandteil einzeln anzugeben ist. Eine pauschale Summenbildung ist damit nicht mehr möglich. Hinzu kommt die Unterrichtung über die Arbeitszeit.
Ab dem siebten Tag muss Folgendes nachgewiesen werden: Der Beginn des Arbeitsverhältnisses, eine etwaige Befristung, der Arbeitsort, die Dauer einer Probezeit, bei Abrufarbeit die speziellen Vereinbarungen, außerdem, sofern vereinbart, über die Möglichkeit, Überstunden anzuordnen und deren Voraussetzung dafür. Spätestens nach einem Monat müssen die weiteren wesentlichen Vertragsbedingungen nachgewiesen werden.
Was passiert, wenn Arbeitgeber ihrer Nachweispflicht nicht nachkommen?
Früher sah das Nachweisgesetz keine Rechtsfolgen vor. Das ändert sich jetzt. Dem Arbeitgeber kann ein Bußgeld von bis zu 2000,- Euro auferlegt werden, wenn er seiner Verpflichtung nicht nachkommt.
Beschäftigte selbst haben einen sogenannten individualrechtlichen Anspruch auf Erteilung des Nachweises. Das heißt, wenn der Arbeitgeber das unterschriebene Papier nicht aushändigt, kann man es beim Arbeitsgericht einklagen. Unter Umständen kommt auch ein Schadenersatzanspruch in Betracht, wenn der Arbeitgeber einem keinen Nachweis erteilt – das kommt aber immer auf den Einzelfall an. Voraussetzungen für einen solchen Anspruch ist erst einmal, dass man überhaupt finanzielle Nachteile erleidet, weil der Arbeitgeber einem die wesentlichen Bedingungen nicht schriftlich mitgeteilt hat. In der Rechtsprechung anerkannt ist dies zum Beispiel beim Versäumen von tarifvertraglichen Ausschlussfristen.
Eine Ausschlussfrist wird regelhaft in Tarifverträgen vereinbart. Sie bewirkt, dass man Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis nach einem gewissen Zeitablauf (in der Regel drei bis sechs Monate) nicht mehr fordern kann, weil sie erlöschen. Der Schadenersatzanspruch bewirkt dann Folgendes: Weist der Arbeitgeber entgegen seiner Verpflichtung nicht auf die anwendbaren Tarifverträge hin, so kann der/die Arbeitnehmer*in ihre Ansprüche noch geltend machen, obwohl sie eigentlich wegen der Ausschlussfrist im Tarifvertrag verfallen wären.
Rechtsanspruch auf Fortbildungen
In der Vergangenheit gab es häufig Konflikte um die Frage, wann für die Arbeitsleistung erforderliche Fortbildungen stattfinden – innerhalb oder außerhalb der Arbeitszeit.
Auch die Pflicht des Arbeitgebers, die Kosten für diese Fortbildungen zu übernehmen, war manchmal schwierig gegenüber dem Arbeitgeber zu verdeutlichen. Dafür wurde ein neuer Rechtsanspruch geschaffen.
In § 111 Gewerbeordnung (GewO) steht nun, dass der Arbeitgeber die Kosten einer Fortbildung tragen muss und diese in der Arbeitszeit liegen soll. Aber Achtung: Das gilt nur für Fortbildungen, zu denen Arbeitgeber gesetzlich oder aufgrund eines Tarifvertrags oder einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung verpflichtet sind! Damit ist nicht jede Fortbildung eingeschlossen, die für den/die Arbeitnehmer*in vielleicht sinnvoll, aber eben nichtverpflichtend ist. Solch eine Verpflichtung besteht zum Beispiel in vielen Branchen für den Erste-Hilfe-Kurs. Das Abtun des Kurses als „Freizeit“ gehört nun klar der Vergangenheit an. Kann die Fortbildung nicht in der Arbeitszeit liegen, so ist klargestellt, dass die Teilnahmezeit selbstverständlich Arbeitszeit ist.
Ist das nicht alles eigentlich selbstverständlich?
Ja, eigentlich müssten alle Nachweispflichten längst Beachtung finden – in nicht wenigen Arbeitsverhältnissen ist das jedoch keineswegs selbstverständlich.
Alle Arbeitnehmer*innen müssen ihre Rechte und die in ihrem Arbeitsverhältnis getroffenen Vereinbarungen kennen. Denn nur dann können Arbeitnehmer*innen diese auch gegenüber dem Arbeitgeber einfordern und im Zweifel einklagen. Falls es zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung kommt, bietet ein schriftlicher Nachweis immer noch die beste Beweismöglichkeit.
Wichtig ist, und so sehen es die neuen Regelungen vor, dass allen Arbeitnehmer*innen die Gelegenheit gegeben wird, ihre Nachweise wirklich zu Hause zu haben – denn Auseinandersetzungen kommen häufig unerwartet.
* Gastautor Carsten Peters ist stellvertretender DGB-Stadtverbandsvorsitzender in Münster.
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