Was macht man mit dem durch einen Baustopp stillgelegten Hafencenter? Und was mit einem darauf errichteten Ensemble von Gebäuden, die nicht weiter als über das Stadium des Rohbaus gekommen sind? Kein einfach zu lösendes Problem. Erst recht, wenn die Eigentumsfrage jede bauliche Entwicklung blockiert, wenn nicht geklärt ist, was der Investor mit der bebauten Fläche vorhat.
Blockiert sind aber auch die beiden Bauherren, Max und Lutz Stroetmann, denen die Immobilie gehört und die das Hafencenter hochziehen wollen – gegen den Widerstand in der Bevölkerung, vor allem einer breiten Mehrheit der Bewohner des Hansa- und Hafenviertels. „Wir kämpfen schon jahrelang gegen das Projekt und die schleichende Veränderung im Wohnquartier“, so Rainer Bode von der Initiative „Zukunft Hafen“. Zusammen mit Thomas Krabbe vom Verein „Mehr Lebensqualität für das Hansa- und Hafenviertel“ hatten sie am Dienstagabend, den 25. Juni 2019 zu einer Informations- und Diskussionsveranstaltung ins Bennohaus eingeladen. Rund hundert Interessierte folgten der Einladung. Im Gegensatz zu SPD, Grünen und Linke waren ihr die Ratsparteien CDU und FDP, beide Befürworter des Hafencenters, nicht gefolgt.
Die missliche Situation wie beschrieben betrifft alle: neben der Stadt Münster die Kommunalpolitik und der Investor, aber genauso die Anwohner im Hafen- und Hansaviertel. Seit dem 1. Februar 2019 stehen Bagger und Betonmischer still auf dem Areal zwischen Hansaring und Hafenweg. Auf dem Baugrund sollten ursprünglich laut Bebauungsplan, bereits im Vorjahr gerichtlich außer Kraft gesetzt, neben einem Einkaufscenter mit Tiefgarage weitere Läden, einige Wohnungen und Büros entstehen.
Den sofortigen Stopp der vor der gerichtlichen Klärung begonnenen Bauarbeiten verfügte – für alle Beteiligten völlig überraschend – das Oberverwaltungsgericht (OVG), weil es zentrale Verkehrs- und Umweltbelange nicht ausreichend in den Planungen berücksichtigt sah. Den vom Rat mit den Stimmen von CDU, SPD und FDP im Rat beschlossenen Bebauungsplan hatte das OVG bereits im April 2018 kassiert – wegen einer vor dem Ratsbeschluss nicht berücksichtigten Straßensperrung.
„Von daher steht es derzeit 4:0 für uns“, wertet Bode den Richterspruch und die Lage sportlich, „aber das kann sich natürlich wieder ändern.“ Damit korrigierte das OVG ein Urteil des Verwaltungsgerichts Münster, das noch Ende August 2018 einen Eilantrag der Hafenvereine für einen Baustopp wegen eines Formfehlers abgelehnt hatte. (Das Verwaltungsgericht wird am 6. September 2019 noch einmal darüber befinden. Es ist zu erwarten, dass es sich der Sichtweise des OVG anschließt.) Laut Stadtverwaltung lassen sich die gerichtlichen Einwände und damit der Bebauungsplan „heilen“. In diesem Jahr wird dieser wie auch immer geartete Heilungsprozess jedoch nicht mehr passieren. Das hat die Stadt inzwischen verlautbaren lassen.
„Wir sind nicht immer gegen was, sondern auch für etwas“, stellte Krabbe klar. Es sei an der Zeit, über die Zukunft der Bauruine am Hansaring nachzudenken und die Bürger daran zu beteiligen. „So haben wir das hier in den letzten zwanzig Jahren immer gehalten, auch um der Politik zeigen zu können, dass es anders geht und wie es anders geht.“ Abriss oder Nutzung des ausgebremsten Hafencenters? Und wie sollen die Rohbauten auf dem Stroetmann-Gelände und die bereits erstellte Tiefgarage genutzt werden? „Ideen sammeln ist jetzt wichtig“, sagt Krabbe, der die Zwangspause für weitere Initiativen nutzen will. Zumal sich auch das übrige Hafengebiet in direkter Nachbarschaft im Umbruch befinde und der derzeitige Zustand Chancen böte. So sei die Entwicklung und Nutzung der Osmo-Flächen noch offen.
Hafen-Initiative und -Verein, das wurde bei der Veranstaltung rasch klar, sind gegen einen Abriss der bisher erstellten Bauten auf dem Stroetmann-Gelände. Sie sollen stattdessen bürgernah genutzt werden und nah an der Basis für Projekte und Initiativen offen stehen: Räume für Besprechungen und Treffen, Werkstätten oder ein soziales Zentrum für die Bewohner aus dem Wohnquartier oder vorübergehender Wohnraum. Deutlich mehr Wohnungen als bislang seien auf jeden Fall zu fordern, „ob als genossenschaftliches Wohnen oder im sozialen Wohnungsbau, das wird man sehen“, so Bode.
Aus dem Publikum wurde mehrfach Kritik und Unmut laut über das steckengebliebene Projekt Hafencenter. „Wir haben hier im Viertel genug Einkaufsmöglichkeiten“, war nur eine Stimme einer Teilnehmerin von vielen, die sich gegen ein zusätzliches Edeka-Einkaufszentrum à la Stroetmann richtet – stellvertretend für andere Wortmeldungen, die allesamt die fehlende Bürgerbeteiligung an dem Projekt Hafencenter bemängelten, ebenso die Verschärfung der eh schon grenzwertigen Probleme beim Verkehr im Viertel.
Die Idee einer Teilnehmerin, das Gelände mit einer Drohne überfliegen und filmisch für die Öffentlichkeit festhalten zu lassen, erntete großen Zuspruch. Auch die Nutzung der Tiefgarage als Quartiersgarage stieß auf Interesse. Bode: „Da geht es um 360 Parkplätze, die für wegfallenden Parkraum im Viertel, etwa bei der Umgestaltung der Schillerstraße zu einer echten Fahrradstraße, genutzt werden könnte. Dafür könnten die sieben Millionen Euro verwendet werden, die die Stadt anteilig an Stroetmann für die Tiefgarage zahlen will“.
Für eine Schlussrunde nahmen die Vertreter der genannten Parteien auf der Bühne Platz. Michael Jung, Fraktionschef der SPD und wie seine Partei bisher pro Hafencenter, rechtfertigt sich: Der Bebauungsplan sei zwar gescheitert, aber immerhin bestehe einer, der zu überarbeiten sei. „Die Verwaltung sagt, bei dem Projekt geht es allein um die Lärm- und Verkehrsfrage. Von daher steht es eher 1:1 und nicht 4:0.“ Die Ratsparteien hätten 2004 einstimmig das zugrunde liegende Einzelhandelskonzept beschlossen. „2015 wurde dann mehrheitlich für den Bebauungsplan mit dem Hafencenter gestimmt – aufgrund falscher Fakten.“
Eindeutig gegen das Stroetmann-Projekt positionieren sich weiterhin die Grünen und die Linke. „Wir Grünen sind weiter gegen das Hafencenter!“, unterstreicht Fraktionsvorsitzender Otto Reiners den Standpunkt seiner Partei, die mit der CDU im Rathaus regiert. „Das Viertel soll bunt und lebendig bleiben. Wir wollen den motorisierten Verkehr herausdrängen und durch mehr Fahrräder ersetzen.“
Heiko Wischnewski, für die Linke im Rat und aktiv in der Quartiersinitiative „Platanen Power“, fordert für die Zukunft vor allem mehr ernsthafte Bürgerbeteiligungen ein. „Warum macht die Stadtverwaltung Bürgerbefragungen, zum Beispiel im Hansaviertel, wenn man doch nicht auf sie hört?“, fragt er verständnislos. Den verstärkten Dialog mit den Bürgern will auch Jung: „Ich lade alle dazu ein, über den neuen Bebauungsplan zu diskutieren. Warum sprechen wir dann nicht über den gesamten Hafen, mit den Osmo-Flächen?“
In einem Punkt sind sich die Ratspolitiker einig, trotz aller inhaltlichen Differenzen. „Die Eigentumsfrage ist das größte Problem“, erklärt Reiners stellvertretend. Weitere Fragen sind in der Folge zu beantworten: Wie werden sich die Stroetmann-Brüder verhalten, halten sie an ihren Plänen fest? Oder sind sie bereit, die Immobilie zu verkaufen, etwa an die Stadt? Und die Stadt, würde sie sich das leisten wollen oder können?
Die Hängepartie wird die Bewohner des Hafen- und des Hafenviertels noch eine Weile beschäftigen – und nicht nur die. Rainer Bode und seine Initiative „Zukunft Hafen“ jedenfalls sind entschlossen, ihren Widerstand gegen das Hafencenter fortzusetzen. Das macht er im Bennohaus deutlich. „Wir müssen es schaffen, Stroetmanns klar zu machen, dass ihre Pläne zum Scheitern verurteilt sind. Notfalls wieder vor Gericht.“
Der Artikel ist ebenso erschienen bei der Münsterschen Volkszeitung.
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