Arbeit und Soziales Rund um Münster

Nahverkehrsabos: Sonderweg in Münster

Kein Deutschlandticket Sozial in Münster

Von Werner Szybalski

Das Busfahren in Münster wird im kommenden Jahr teurer – dies gilt insbesondere für die wirtschaftlich schwächsten Einwohner*innen in der Stadt, denn die Vergünstigungen beim Deutschlandticket für Schüler und auch beim Münster-Abo für Inhaber*innen eines Münster- Passes sollen gestrichen werden. Klar sein dürfte, dass Busfahren für Ärmere in der Domstadt auf jeden Fall weniger günstig als im laufenden Jahr sein wird, zumal auch das Deutschlandticket ab Januar neun Euro teurer im Monat sein wird.

Gerade Bürgergeldempfänger* innen werden im nächsten Jahr von einer neuen Regierung in Berlin und voraussichtlich auch von der grün-rot-violett-internationalen Ratsmehrheit in Münster nicht verwöhnt. Die SPD drückte in Berlin eine Nullrunde für Bürgergeldempfänger*innen durch, weitere Maßnahmen beim Bürgergeld, welches 2025 auch anders heißen dürfte, werden folgen. Seit Sommer 2024 vergangenen Jahres müssen Hartzer*innen ihren Kabelanschluss ohne öffentliche Förderung bezahlen und das Busfahren wird auch teurer. Offensichtlich sind die in prekären finanziellen Verhältnissen lebenden Menschen nicht im zentralen Blick der Regierenden. Die Sperre-Redaktion hat bei den Ratsfraktionen und der Voltgruppe nachgefragt, wie es um die Subventionen im ÖPNV in Münster steht. Endgültig entschieden wird darüber in den Haushaltsberatungen am 11. Dezember dieses Jahres.

Über eine Million städtischer Zuschuss in 2024

Seit dem 1. August 2023 gibt es das Münster-Abo für zunächst rund einen Euro am Tag. Es kostete zunächst 29 Euro und ab August dieses Jahres 30,40 Euro. Für 4420 Inhaber*innen des Münster-Passes gibt es dieses lokale Ticket bis zum Jahresende für 21 Euro. Um diesen Preis bieten zu können, gibt das Sozialamt Münster im Jahr 2024 insgesamt 455.220 Euro an Zuschuss. Auch die 858 Besitzer*innen des auslaufenden 60-Plus-Abos der Stadtwerke erhalten dieses vorher 31 Euro und ab August 32,60 Euro teure Ticket, sofern sie im Besitz des Münster-Passes sind, mit städtischem Zuschuss je Aboinhaber*in von 15,50 Euro bis Ende Juli und 16,60 Euro danach. Insgesamt bringt das Sozialamt dafür 164.307 Euro auf.

Deutschlandtickets Sozial in Steinfurt schon für neun Euro im Monat

Mit diesen beiden Abos, so scheint es, haben Politik und Verwaltung genügend für Münsters ärmere Erwachsene mit Mobilitätsbedarf getan, denn die Einführung des „Deutschlandtickets Sozial“ wurde bislang von keiner Partei im Rat vorgeschlagen. Das D-Ticket ist auch in seiner sozialen Variante bundesweit gültig. In den Genuss dieses Deutschlandtickets Sozial kommen laut Webseite des regionalen Nahverkehrsunternehmens RVM alle Bezieher von Sozialleistungen in den Münsterlandkreisen Borken, Coesfeld, Steinfurt und Warendorf. Es kostet aktuell in den Kreisen Coesfeld und Warendorf 39 Euro im Monat. In den Kreisen Borken und Steinfurt hingegen ist das Deutschlandticket Sozial für Personen über 21 Jahren schon für 25 Euro pro Monat und für Personen unter 21 Jahren sogar für nur neun Euro pro Monat zu haben. Preise, von denen jungen Menschen in Münster träumen, oder?

Deutschlandweites Schülerticket für elf Euro oder sogar sechs Euro

Es ist nicht wirklich nötig, von den Preisen im Umland zu träumen, denn aktuell erhalten nicht Freifahrt berechtigte 1760 Schüler*innen aus Münster das 29 Euro teure, bundesweit gültige D-Ticket für Schüler für elf Euro – also nur maximal zwei Euro mehr. Weitere Freifahrt berechtigte 1225 Schüler*innen, darunter 230 Volljährige, in Münster brauchen sogar nur sechs Euro für das Ticket zu löhnen. Weitere 263 Schüler*innen mit gleichfalls zur Freifahrt berechtigten Geschwistern zahlen sogar nur drei Euro im Monat für ihr Deutschlandticket.

Foto: Agneta Becker

Dies kostet das Sozialamt der Stadt Münster im Jahr 2024 zusammen 398.190 Euro im laufenden Haushaltsjahr. Zusammen bezuschusst die Stadt Münster also die Nahverkehrstickets für Einwohner*innen mit Münster-Pass und Schüler*innen mit voraussichtlich 1.017.757 Euro in diesem Jahr. Hinzu kommen rund 60.000 Euro Verwaltungskosten. Finanziell unterstützt wird Münster allerdings durch zweckgebundene Förderung durch das Land NRW. Laut Auskunft von Martin Füser vom städtischen Presseamt wird das in 2024 in Höhe von rund 525.000 Euro erfolgen.

Der städtische Anteil in den Ausgaben für das Deutschlandticket Schule und vergünstigte Tickets für Münster-Pass-Inhaber*innen „sinkt“ im Haushalt 2024 damit auf rund 660.000 Euro.

Was will die Verwaltung für 2025 streichen?

Angesichts der „angespannten Haushaltssituation“ sei, so Martin Füser auf Sperre-Nachfrage, die Stadt Münster gezwungen, für 2025 alle Aufwendungen kritisch zu hinterfragen. Dies gelte besonders für freiwillige Aufwendungen. Zu diesen zählt der Preisnachlass bei Nahverkehrstickets.

„Besonders zu berücksichtigen ist, dass in diesem Fall faktisch eine dreifache Förderung für eine Maßnahme – preisgünstige Mobilität innerhalb von Münster – vorliegt“, unterstrich Füser: „Durch die Einführung des Münster-Abos wurde preisgünstige Mobilität für alle geschaffen. Mit einem anfänglichen Betrag von 29 Euro, der sich seit dem 1.8.24 auf 30,40 Euro erhöht hat, liegen die Kosten deutlich unter dem Anteil, der bei der Gewährung von Sozialleistungen in dem Regelhilfesatz enthalten ist. Für Bezieherinnen und Bezieher von SGB II-Leistungen sind dies 45 Euro, für SGB XII-Leistungen 40 Euro. Die Vergünstigung der Bus-Tickets für Münster-Pass-Inhaberinnen und -Inhaber erfolgt einerseits mit Fördermitteln des Landes, die für diesen Zweck gewährt werden, und aus Mitteln des allgemeinen Haushalts der Stadt“.

Wie Martin Füser erklärte, sollen im Jahr 2025 keine städtischen Mittel außerhalb der Förderung des Münster-Abos für Nahverkehrstickets zur Verfügung gestellt werden. Die Landesmittel fließen natürlich weiter, was aber – nach aktuellem städtischen Plan – die Abopreise für Inhaber*innen des Münster-Passes und Schüler*innen steigen lässt. Das Münster-Abo soll monatlich 4,40 Euro mehr kosten (25,40 Euro statt 21 Euro). Das 60-Plus-Abo wird im Münster-Abo aufgehen, wodurch – bei einem zeitlich ausgeweiteten Angebot (Busnutzung auch vor 9 Uhr) – der Preis um 9,40 Euro (25,40 Euro statt 16 Euro) erhöht wird.

Krasser Preisanstieg beim Deutschlandticket Schule

Heftig wird der Preissprung für nicht Freifahrt berechtigte Schüler*innen. Derzeit zahlen sie 11 Euro und im kommenden Jahr sollen sie mit 24 Euro satte 118 Prozent mehr monatlich zahlen müssen. Die Preise für die derzeit 1488 zur Freifahrt berechtigten Schüler*innen in Münster werden – dank der Landesförderung – nicht nur nicht mehr als verdoppelt, sondern bleiben sogar konstant.

Dies ist bislang „nur“ der Sparvorschlag aus der kommunalen Verwaltung. Ob die Ratsmehrheit Münsters Stadtkämmerin Christine Zeller folgen wird, steht in den Sternen. Da es dort, im Wolkenkuckucksheim, schlecht zu lesen ist, fragte die Sperre- Redaktion bei den Ratsfraktionen und der Voltgruppe nach, wie sie mit diesen Vorschlägen der Verwaltung umgehen wollen.

Foto: Agneta Becker

Was plant aktuell die lokale Politik?

Für die Ratsopposition ist die Sachlage klar. CDU und FDP wollen weder kommunal finanzierte ÖPNV-Vergünstigungen für Schüler*innen noch für Inhaber*innen des Münster-Passes. Der Fraktionsvorsitzende der FDP im Rat der Stadt, Jörg Berens, machte auf Nachfrage deutlich: Wir „sehen den Münster Pass seit jeher kritisch. Seit der Einführung des »Bürgergeldes«, mit dem auch eine Steigerung inbegriffen war, ist aus unserer Sicht ein Münster-Pass nicht mehr notwendig beziehungsweise sinnvoll.“ Für Stefan Weber, Fraktionsvorsitzender der CDU, sind mehr „Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur vorrangig. Kein Ticket hilft, wenn der Bus nicht fährt und die Bahn nicht kommt. Die Ausdünnung der Buslinien in Münster ist ein beredtes Beispiel für den verschlechterten Zustand.“

Auch Oliver Koch, Fraktionsgeschäftsführer der Grünen im Rat der Stadt Münster, lässt für die größte Fraktion der Ratsmehrheit durchblicken, dass die Einsparungen im kommenden Jahr auch die Ärmsten in der Stadt treffen dürften: „Für uns steht fest, dass der öffentliche Nahverkehr auch weiterhin allen Menschen in Münster als günstige Mobilitätsform zur Verfügung stehen muss. Klar ist aber, dass in Zeiten großer kommunaler Finanznot freiwillige Leistungen der Stadt überprüft werden müssen. Dazu gehören auch Tickets.“

Die beiden Partnerparteien der Grünen in der „Münster-Koalition“, SPD und Volt, haben die Sperre-Fragen unbeantwortet gelassen. Auch die Mixedkoalition der drei Einzelratsherren Krapp (ÖDP), Dr. Tsakalidis und Nowak (Die Partei), die in den vergangenen Jahren der Koalition zur Mehrheit verhalf, antworteten nicht. Nicht im Fahrwasser der Grünen ist die oppositionelle Fraktion der Linkspartei.

Linke will Förderung fortsetzen

Für die Linke im Rat der Stadt teilte Fraktionsgeschäftsführer Max Glagla mit: „Grundsätzlich befürworten wir die Einführung und Fortführung von vergünstigten ÖPNV-Angeboten für Schüler*innen und Inhaber*innen des Münster-Passes auch im Jahr 2025. Dies steht im Einklang mit unserem Kommunalwahlprogramm, in dem wir uns für einen unentgeltlichen ÖPNV einsetzen, mit einem Zwischenschritt von 365 Euro pro Jahr und einem vergünstigten Sozialtarif.“ Derzeit diskutiere ihre Fraktion einige weitere Vorschläge: die kostenlose Nutzung des ÖPNV in Münster für unter 17 Jährige, die Beibehaltung des 11-Euro-Preises für das Deutschlandticket Schule für Münster-Pass-Inhaber*innen beziehungsweise ein kostenfreies Deutschlandticket Schule für alle Schüler*innen.

P.S.:
Der Preis bestimmt auch im Verkehr die Musik. Die Verteuerung des D-Tickets und insbesondere die geplanten Kürzungen im städtischen Haushalt widerstreben allen politischen Beteuerungen zum Klimawandel – in Deutschland, aber auch in Münster.
Die Inhaber*innen des Münster- Passes werden durch die geplanten Kürzungen in ihrer Mobilität weiterhin auf die Stadt begrenzt und zudem ungefähr den Preis für ein warmes Essen monatlich mehr zahlen. Den fast 1800 Schüler*innen wird durch die Steigerung um rund 218 Prozent einfach Mobilität entzogen. Dem Klimaschutz und dem Portemonnaie schadet beides.