Zur Kritik des Mobilitätsparadigmas
Buchrezension von Darta Sils
Die in Schweden ansässige Initiative Planka.nu (deutsch: Umsonstfahren.jetzt) prangert in diesem Manifest die Vorherrschaft des Autos als dominantem Verkehrsmittel an. Sie entlarvt diesen Zustand als von Menschen gemacht und fordert stattdessen ein „Prinzip der Nähe“ in Stadtplanung und Freizeitgestaltung: Anstatt auf lange Verkehrswege angewiesen zu sein, sollten wir Arbeit, Behördengänge und Erholung in der Nähe unseres Wohnorts wahrnehmen können, fordert Planka.nu. Zudem solle die Politik stärker in öffentliche Verkehrsmittel investieren, anstatt den Straßenverkehr dem Auto anzupassen.
Die Autoren der kämpferischen Schrift sehen das Auto als Übeltäter in vielerlei Hinsicht, beispielsweise fordere es durch Verkehrsunfälle zahlreiche Tote oder nähme durch Parkplätze öffentlichen Raum weg. Dabei romantisieren sie teils den öffentlichen Verkehr: dieser sei besser für die Umwelt und schaffe ein Gemeinschaftsgefühl, welches das Auto als „privater Stahlbunker auf Rädern“ nicht bieten könne. Sie blenden aus, dass der öffentliche Verkehr ebenfalls belastend für die Umwelt ist und dass das dicht gedrängte Treiben in der U-Bahn nicht unbedingt angenehm für den Menschen ist. Zudem kann man sich beim Fahrradfahren ebenso lebensgefährlich verletzen, auch wenn man nicht unbedingt mit einem Auto zusammenstößt.
Die Alternative vom „Prinzip der Nähe“ mutet zu utopisch an, da etwa aufgrund unterschiedlicher Mieten gewisse Orte immer etwas weiter abgelegen sein werden und trotzdem erreichbar sein müssen. Wollen Menschen beispielsweise auf dem Land leben, können sie nicht ihr gesamtes Leben nah am Haus gestalten und sind nun mal auf längere Verkehrswege angewiesen. Auch das Reisen sehen die Aktivisten nicht als bereichernde, die Weltsicht erweiternde Erfahrung, sondern eher als sinnlose Bespaßung. Anstatt umweltschonendere Technologien wie effizientere Autos oder auch schnellere Züge zu befürworten, pochen die Aktivisten auf ein radikales Umdenken der Stadtplanung, weg vom Autoverkehr und vom Diktat der Massen- und Warenbewegung. Obwohl das „Prinzip der Nähe“ grundsätzlich sympathisch ist, bieten die Autoren wenig realistische Alternativen zum Dilemma vom überfüllten Straßenverkehr an.
Planka.nu. VerkehrsMachtOrdnung. Zur Kritik des Mobilitätsparadigmas
Aus dem Schwedischen übersetzt von Gabriel Kuhn. ISBN 978-3-89771-584-4
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