Gesundheitsminister Jens Spahn will verhindern, dass Beatmungspatient*innen dauerhaft am Beatmungsgerät hängen, statt dass sie vom Gerät „entwöhnt“ werden. Es müsse der Praxis, dass Beatmungspatient*innen nicht – sobald es geht – von der künstlichen Beatmung entwöhnt würden, um die Gewinne zu maximieren, entgegengewirkt werden. Ebenso soll die Qualität der Pflege von Beatmungspatient*innen erhöht werden. Sein Gesetzentwurf zur „Stärkung der Reha- und Intensivpflege“ stößt dabei dagegen auf Kritik. Es würde bedeuten, dass die Patient*innen nicht mehr daheim oder in sog. Beatmungs-WGs betreut würden, sondern „abgeschoben“ in Spezialeinrichtungen.
Zunächst schien der Sozialverband VdK gegenüber dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) die Pläne von Gesundheitsminister Spahn zu unterstützen: „Beatmungs-WGs sind derzeit Heime ohne Heimaufsicht. Niemand weiß, was dort hinter verschlossenen Türen passiert“, sagte VdK-Präsidentin Verena Bentele dem RND. „Intensivpflege gehört aber in professionelle Einrichtungen mit geprüfter Qualität. Denn Menschen, die einen sehr hohen Unterstützungsbedarf haben, brauchen die Gewissheit, dass sie in guten Händen sind und optimal versorgt werden“.
Denn: In diesem Statement des VdK wurde nicht klar, ob es als Statement gegen die Beatmungs-WGs verstanden werden kann, oder nicht. Später stellte der VdK deshalb auf Twitter klar: „… Wo dies nicht möglich ist, müssen diese Patient*innen auch nach dem Krankenhaus qualitativ hochwertig versorgt werden. Das muss auch für die sog. „Beatmungs-WGs“ gelten. Niemand darf gegen seinen Willen in ein Heim oder eine Beatmungs-WG eingewiesen werden. Zusammengefasst: Wir möchten, dass Menschen, die auf Intensivpflege angewiesen sind, selbstbestimmt und optimal versorgt leben können. Die Qualität der Versorgung muss dabei gewährleistet sein und kontrolliert werden.“
„Viele Betroffene finden kaum mehr qualifizierte Pflegedienste oder Assistenten“
AbilityWatch bezweifelt dagegen auch, dass es einen massiven Missbrauch gebe: „Fakt ist, dass die Zahl der Beatmungen, die ambulant vorgenommen werden, gestiegen ist. Dies ist insbesondere auf verbesserte technische Möglichkeiten zurückzuführen. Und darauf, dass es mittlerweile glücklicherweise auch für schwerstbehinderte Menschen, die Beatmung benötigen, möglich ist, ein Leben mitten in der Gesellschaft zu führen. Spahn hat durchaus Recht, wenn er anmahnt, dass die ambulante Versorgung vor Problemen steht. Viele Betroffene finden kaum mehr qualifizierte Pflegedienste oder Assistenten – erst recht nicht zu den Budgets, die die Kostenträger ihnen gewähren.“
„…öffnet einer gewissen Willkür die Tür“
Ebenso kritisiert AbilityWatch, dass damit die Patient*innen auf eine Pflege in Spezialeinrichtungen verpflichtet würden. Eine „Beatmung in den eigenen vier Wänden“ sei nur noch in den seltensten Fällen möglich: „Er möchte die Versorgung außerhalb von Kliniken und Spezialeinrichtungen quasi unmöglich machen. Sein Gesetzentwurf sieht vor, dass die Intensivpflege mit Beatmung in den eigenen vier Wänden nur noch dann möglich sein soll, wenn keine klinische Versorgung möglich oder zumutbar ist. Diese Formulierung ist bereits bekannt durch andere Gesetze und liefert die Menschen an jene Sachbearbeiter aus, welche die Zumutbarkeit zu prüfen haben; in der Vergangenheit gab es eindrückliche Beispiele dafür, dass die Zumutbarkeitsregelung zum Nachteil behinderter Menschen ausgelegt und in der Praxis gelebt wird. Der Begriff öffnet einer gewissen Willkür die Tür.“
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