Am Abend des 9. Oktober 2019 trafen sich circa 80 Mitglieder der Grünen zur Mitgliederversammlung. Thema war der von der Fraktionsspitze mit CDU verhandelte Hafencenter-Kompromiss. Zuvor hatte schon die Stadtratsfraktion der Grünen in einer Sitzung den Hafencenter-Kompromiss abgelehnt, da in den Verhandlungen nicht genug Abstriche bei der Verkaufsfläche gemacht wurden.
Anträge: Von Ablehnung des Hafencenter-Kompromisses bis zum Kompromiss
In der Mitgliederversammlung lagen drei Anträge vor:
Der Antrag des Parteivorstandes der Grünen Münster lehnte den Hafencenter-Kompromiss komplett ab: „Im Bereich Hafen gibt es keinen Bedarf für ein Einkaufszentrum“, so das Papier. Es würde dagegen die vorhandene Einzelhandelsstruktur gefährden und zusätzlichen PKW-Verkehr verursachen. Das Papier fordert eine radikale Neuplanung mit Bürgerbeteiligung. Im Vordergrund einer Neuplanung sollen Konzepte für „bezahlbares und autoarmes Wohnen“, ein Quartiersplatz mit Grünfläche und eine Quartiersgarage stehen, die den „Parkdruck im Hansaviertel reduzieren“ soll.
Rainer Bode von der „Initiative Zukunft Hafen“ – selbst Mitglied der Grünen – hatte einen eigenen Antrag eingebracht. Darin heißt es: „Für den Fall, dass der Investor kein Interesse hat, eine Neubewertung vorzunehmen […], wird die Verwaltung beauftragt, dem Investor zwecks Schadensminimierung bzw. -vermeidung ein gutachterlich gestütztes Übernahmeangebot zu machen“. Auch hier soll ein Konzept entwickelt werden, dass weiteren Kfz-Verkehr minimiert und die Tiefgarage in eine hauptsächlich für Anwohner*innen zu nutzende Quartiersgarage umzuwidmen. Ebenso solle bezahlbares Wohnen mit 30 Prozent öffentlich geförderten Wohnungen in ein neues Konzept aufgenommen werden. Ebenso erwähnt Bodes Antrag viele Elemente aus dem Hafencenter-Kompromiss, wie etwa Carsharing, Arztpraxen, Stadtteilbüro und ambulant betreutes Wohnen.
Dagegen lehnt Rainer Bodes Antrag weitere Einkaufsflächen ab. Nur die bisher gebauten 1.500 Quadratmeter Verkaufsfläche sollen weiterentwickelt werden zugunsten von „bedarfsgerechten bzw. nachfrageorientierten Handelsangeboten“, die Vorrang vor dem bisher geplanten „dm“ und „aldi“ haben sollen. Ein großer Einkaufmarkt wird abgelehnt.
Der Antrag der Fraktion hatte die gleichen Forderungen, wie Bodes Antrag. Nur sieht der Fraktionsantrag als Kompromisslinie dem Investor gegenüber zusätzlich zu den 1.500 in Rohbau befindlichen Quadratmetern noch einen großen Einkaufmarkt mit 1.200 Quadratmetern (trotzdem weniger als im Hafencenter-Kompromiss erreicht wurde) vor: „Ziel ist die Ansiedlung von bedarfsgerechten bzw. nachfrageorientierten Handels- und Dienstleistungsangeboten für das Quartier, die jeweils eine Verkaufsfläche von maximal 1.200 qm nicht überschreiten. Die Einzelhandelsfläche insgesamt darf 2.700 qm nicht überschreiten (inclusive der mit dem geplanten und im Rohbau bereits fertiggestellten Drogeriemarkt, Discounter und Apotheke)“.
Kontroverse Diskussion: Investor Stroetmann sei „radikal“ gewesen, nicht die Grünen und Hafencenter-Gegner*innen
Zum Anfang der Diskussion wies Vorstandssprecher Stephan Orth darauf hin, dass die Grünen nicht gespalten seien. Sie würden aber intensiv um eine politische Position ringen.
In der Diskussion wurde oft darauf hingewiesen, dass die Probleme ja nicht bei den Grünen entstanden seien, schließlich habe man von Anfang an den Bau des Hafencenters abgelehnt. Die Gefahr, dass durch ein großes Einkaufszentrum die vorhandenen kleinen Gewerbetreibenden verdrängt würden sei sehr groß. Stefan Riese, Vorstandmitglied bei den Grünen, wies darauf hin, dass der Investor Stroetmann anfangs über 8.000 Quadratmeter geplant habe, später 4.900. Wie solle da der Gewerbehandel an der Wolbecker Straße, der gerade einmal gut 3.500 Quadratmeter aufweise, dagegen halten können. Das sei „radikal“ gewesen. Dagegen sei die Ablehnung des Hafencenters dies nie gewesen. Und dies sei eine realistische Sichtweise!
Die Fraktion befürwortete ihren Antrag mit Realpolitik. Man müsse Kompromisse schließen. Und ebenso müsse man „im Geschäft“ bleiben, so Ratsherr Gerhard Joksch. Damit war die weitere Offenheit zu Koalitionen gemeint. Man wisse aber auch, dass der Investor wohl auch auf den Fraktionsantrag nicht eingehen könne, da sich das wirtschaftlich nicht tragen könne. Aber es wäre ein Signal! Ebenso könne, wenn der Fraktionsantrag nicht angenommen werde, am Ende noch „Schlimmeres“ entstehen, da dann die CDU mit anderen – gemeint sind SPD und FDP – einen neuen Bebauungsplan beschließen könne. Und dann kämen wohl Konzepte zum Zuge, die „schlimmer“ als der Hafencenter-Kompromiss sein könnten.
Hery Klas, Urgestein der Grünen, wies noch darauf hin, dass ja die damalige Mitgliederversammlung dem Koalitionsvertrag nur zugestimmt habe, da man ja als Grüne bei einer Ablehnung des Hafencenters bleiben könne. Warum solle man also jetzt Zugeständnisse machen?
Abstimmung: Auch Kompromiss zum Kompromiss abgelehnt
Zur Abstimmung wurden der Vorstandantrag und der Antrag von Rainer Bode zu einem Antrag zusammengelegt und gegen den Antrag der Fraktion abgestimmt: Dabei gab es, um es kurz zu machen, eine Zustimmung zum kombinierten Antrag (Bode) von über 80 Prozent. Damit lehnten die Mitglieder der Grünen die Kompromisslinie der Fraktion ab. Aber daraus eine Niederlage der Fraktion zu konstruieren, ist wohl zu überspitzt, denn Fraktionssprecher Otto Reiners hatte schon in der Diskussion gesagt, die Fraktion könne auch gut mit dem Antrag von Rainer Bode leben.
Warum Kompromisse, wenn die sowieso von Gericht gekippt werden?
Ein Kommentar von SPERRE-Redakteur Jan Große Nobis
Ja, warum soll man auch in dieser Situation weitere Kompromisse eingehen? Schließlich ist die Verkehrs- und Lärmbelastungsgrenze am Hansaring schon längst erreicht. Rainer Bode, Sprecher der „Initiative Zukunft Hafen“, hat im Endeffekt ja schon einen großen Kompromiss vorgelegt. Denn damit dort keine Bauruine stehen bleibt, solle der vorhandene Rohbau für 1.500 Quadratmeter Verkaufsfläche weiter gebaut werden dürfen. Schon damit wird die prekäre Verkehrslage weiter belastet!
Die Hafencenter-Gegner*innen hatten immer betont, das große Einkaufszentrum stehe in der Kritik, nicht der gesamte Bau. Aber man wolle auch keine Bauruine: „Der Abschnitt, der schon bebaut ist, muss nicht abgerissen werden“, so Rainer Bode in der aktuellen SPERRE Herbst 2019. Der noch nicht bebaute Teil für das geplant gewesene Einkaufscenter solle für den Bau von preiswertem Wohnraum genutzt werden!
Alle anderen Konzepte würden wohl auch wieder von den Gerichten gekippt werden. Es ist halt sehr fraglich, ob weitere Verkaufsflächen überhaupt gerichtsfest geplant werden können.
Wie es weiter geht?
Die Union kann jetzt ja mit SPD und FDP nach Lösungen suchen. Vielleicht hält das die Koalition aus, da ja der Dissens per Koalitionsvertrag festgeschrieben ist. Aber, ob dann nicht in ein paar Jahren nicht eine größere – vielleicht 15 Meter höhere – Bauruine steht? Schließlich wird es dann wieder vor Gericht entschieden. Und es wird wieder fraglich sein, ob das Gericht dann nicht sagt: Baustopp! Euer Verkehrs- und Lärmgutachten hat Mängel. Warum macht ihr das überhaupt? Jede*r weiß doch: Die Verkehrs- und Lärmbelastungsgrenze ist doch schon längst am Hansaring erreicht!
Wenn die CDU wirklich unternehmer*innenfreundlich wäre, wären nicht die Grünen und die Initiativen gegen das Hafencenter, auf die Idee gekommen, das Areal zurückzukaufen, sondern die CDU. Schließlich hat die CDU den Investor Stroetmann – trotz der damaligen Bedenken – dazu gedrängt, dort zu bauen. Und Stroetmann ist trotz der Bedenken auf das Projekt eingestiegen. So könnten beide sich gegenseitig aus der Patsche helfen!
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