Ein Gastbeitrag von Frank Biermann.
Wenn Lebenszeit im Stau flöten geht: Die Zahl der Berufspendler*innen in Münster hat einen neuen Höchststand erreicht. Im vergangenen Jahr kamen rund 82.000 Menschen zum Arbeiten regelmäßig von außerhalb in die Stadt – das sind 41 Prozent mehr als noch im Jahr 2000. Damals zählte Münster noch rund 58.000 sogenannte Einpendler*innen, wie die IG Bauen-Agrar-Umwelt mitteilt.
Ein „alarmierender Trend“
Die IG BAU beruft sich dabei auf eine aktuelle Auswertung des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR). Gewerkschafter Detlev Hopp spricht von einem „alarmierenden Trend“. Eine Hauptursache für den Pendel-Boom sei der Mangel an bezahlbaren Wohnungen in den Städten. „Eine wachsende Zahl von Menschen kann sich die hohen Mieten und Immobilienpreise aber gerade dort nicht mehr leisten, wo in den letzten Jahren besonders viele Jobs entstanden sind“, sagt der Bezirksvorsitzende der IG BAU Münster-Rheine. Die Folge seien immer längere Staus und überfüllte Züge.
Umwelt und Familie leiden – Wende in Wohnungsbaupolitik gefordert
Strecken von mehr als 50 Kilometern bis zum Arbeitsplatz seien für viele Pendler*innen in Münster mittlerweile gang und gäbe, betont Hopp. „Dabei geht nicht nur wertvolle Zeit für Familie, Freunde und Hobbys verloren. Auch die Umwelt leidet unter der Fahrerei“. Nach Angaben des Umweltbundesamtes geht knapp ein Fünftel aller CO2-Emmissionen in Deutschland auf das Konto des Verkehrs.
Die IG BAU warnt vor einer Zunahme der Pendler*innen zahlen, sollte sich das Wohnen noch weiter vom Arbeiten entfernen. Nötig sei eine „drastische Wende“ in der Wohnungsbaupolitik. „Die öffentliche Hand muss viel mehr als bisher investieren, um bezahlbaren Wohnraum in den Metropolen und Ballungsräumen zu schaffen. Es fehlen vor allem Wohnungen im sozialen und im bezahlbaren Segment“, so Hopp.
Gleitzeit oder Home-Office als Alternativen
Massive Investitionen seien aber auch im Bereich der Verkehrsinfrastruktur unverzichtbar, um die Pendler*innen zu entlasten. „Vor allem beim Schienen-, Straßen und Radwegenetz ist der Nachholbedarf groß“, macht Hopp deutlich. Einen entscheidenden Beitrag gegen den „Pendel-Frust“ könnten zudem die Firmen leisten – indem sie es ihren Beschäftigten leichter machen, in Gleitzeit oder im Home-Office zu arbeiten.
Die Pendler*innen-Problematik in Münster ist Teil eines bundesweiten Trends: Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit pendelten im letzten Jahr 39 Prozent aller sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten in eine andere Stadt oder einen anderen Kreis zur Arbeit.
Zuerst erschienen in der Münsterschen Volkszeitung.
- Neuregelungen beim Heizungs-Check - 20.11.2024
- Leistungen für AsylbewerberInnen werden 2025 gekürzt - 18.11.2024
- Die Tatsachen kennt fast niemand - 13.11.2024