Missstände und ihre Bekämpfung in der Reinigungsbranche
Von Regina Ioffe
Damit eine faire Beschäftigung garantiert ist, müssen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen gut aufgeklärt sein und die eigenen Rechte und Pflichten kennen. Im Folgenden einige Informationen über den Rahmentarifvertrag in der Gebäudereinigung und über Hilfsangebote, um eine eventuelle ausbeuterische Beschäftigung zu verhindern.
In der zweiten Hälfte 2022 erfolgten in Österreich durch die dortige Finanzpolizei und Steuerfahndung massive Durchsuchungen bei 30 Firmen der österreichischen Reinigungsbranche. Der Verdacht lautete: schwerer gewerbsmäßiger Betrug, Abgabenhinterziehung, betrügerisches Anmelden bei der Sozialversicherung und organisierte Schwarzarbeit.
Großrazzien gegen Unternehmen in der Reinigungsbranche
Unter anderem die österreichische Tageszeitung Kurier berichtete über dubiose Zahlungen durch die Firmen der Subunternehmer. Sogar bei öffentlichen Aufträgen (Fensterputzen in einem Finanzamt in Niederösterreich) wurden bei einer zufälligen Kontrolle illegale Beschäftigte vorgefunden, „die weder über eine arbeitsmarktbehördliche Bewilligung noch über eine Anmeldung bei der Sozialversicherung verfügten“. Nur der Vorarbeiter war ordnungsgemäß beschäftigt gewesen (Kleine Zeitung, Österreich 12. Juli 2023).
Auch in Deutschland ist die Reinigungsbranche für Verstöße seitens Arbeitgeber bekannt. Deswegen überprüfen die Mitarbeiter*innen der Abteilungen Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS), die in Deutschland bei den Hauptzollämtern angesiedelt sind, regelmäßig Firmen der Reinigungsbranche. Zwischen 2020 und 2022 wurden drei Großrazzien gegen verschiedene Reinigungsunternehmen in Hessen durchgeführt. Die Schadenssumme betrug in einem Fall circa zwei Millionen Euro, in einem anderen Fall mehr als fünf Millionen Euro. Die beschuldigten Arbeitgeber sollen Arbeitnehmer*innen nicht oder mit einem zu geringen Bruttolohn den Sozialversicherungen gemeldet haben. Dadurch wurden keine oder nur niedrige Lohnsteuern gezahlt. So wurden die Arbeiter*innen größtenteils schwarz bezahlt.
Tarifverträge in der Reinigungsbranche
In der Reinigungsbranche arbeiten häufig Menschen mit Migrationsvorgeschichte, die die deutsche Sprache nicht gut genug beherrschen. Manche Arbeitgeber nutzen das aus und versuchen weniger Lohn zu zahlen, als es gesetzlich vorgeschrieben ist. Damit man sich vor einer unfairen Beschäftigung schützen kann, muss man gut informiert sein. Deshalb an dieser Stelle einige wichtige Informationen über Regeln in der Reinigungsbranche in Deutschland:
Für alle Beschäftigten in der Reinigungsbranche gibt es laut dem allgemeinverbindlichen Rahmentarifvertrag seit dem 1. Januar 2021 30 Tage Urlaub, 30 Prozent Zuschlag für die Nachtarbeit, 80 Prozent Zuschlag für die Arbeit an Sonn- oder Feiertagen sowie 200 Prozent Zuschlag für die Arbeit an besonderen Tagen wie dem 1. und 2. Weihnachtstag, dem Neujahrstag und auch am 1. Mai.
Der Arbeitgeber ist auch verpflichtet, für die Verhütung von Unfällen und Gesundheitsgefahren zu sorgen. Alle Beschäftigte sollen regelmäßig über die Sicherheitsvorschriften im Unternehmen unterrichtet werden. Die Belehrungen finden üblicherweise in Form einer schriftlichen Ergänzung zum Arbeitsvertrag statt und werden separat unterschrieben. Arbeitnehmer*innen mit geringen Kenntnissen der deutschen Sprache unterschreiben sehr häufig rein pro forma, ohne den unterschriebenen Text zu verstehen. Dann sollte man lieber eine Person seines Vertrauens zur Unterzeichnung mitbringen, welche dolmetschen kann, damit über eventuelle Gefahren tatsächlich und ordnungsgemäß aufgeklärt werden kann. Alternativ wird empfohlen, alle Unterlagen mitzunehmen, um sich fachkundig, zum Beispiel in der „Beratungsstelle Arbeit“ des cuba in Münster beraten zu lassen. Für seriöse Arbeitgeber ist das kein Problem. Wenn man gedrängt wird, sofort zu unterschreiben, sollte man hellhörig werden, denn dann drängt mit hoher Wahrscheinlichkeit ein unseriöser Arbeitgeber zur Unterschrift eines unseriösen Vertrages.
Falls die tägliche Arbeitszeit mehr als 8 Stunden beträgt, wird ein Belastungszuschlag in Höhe von 25 Prozent für die Arbeitszeit gezahlt, die über die tägliche Arbeitszeit von 8 Stunden hinausgeht (§ 10 Punkt 3 Rahmentarifvertrag, Gebäudereinigung vom 31.10.2019). Für Reinigungsarbeiten mit einem Atemschutzgerät oder in besonderen Räumen (außergewöhnliche Verschmutzung wie in der Schwerindustrie, Kühlräumen usw.) muss ein Erschwerniszuschlag gezahlt werden (§ 10 Punkt 1 und 2 Rahmentarifvertrag, Gebäudereinigung vom 31.10.2019).
Vertragsanbahnung und erster Lohn
In der Reinigungsbranche wird häufig vor dem Vertragsabschluss eine Probearbeit erbeten. Diese wird rechtlich nicht entlohnt und dauert meistens einen Tag, kann aber bis zu 5 Tagen dauern. Ein*e Arbeitnehmer*in sollte sich dabei auch nicht ausbeuten lassen und selbst prüfen, ob das Arbeitsangebot seriös ist.
Ein Arbeitsvertrag kann zunächst auch mündlich abgeschlossen werden. Auch dann verpflichtet der Arbeitsvertrag den Arbeitgeber zur Zahlung des Arbeitslohns. Spätestens einen Monat nach Beginn der Arbeitstätigkeit ist der Arbeitgeber verpflichtet, den Arbeitsvertrag in Papierform in zwei Exemplaren mit den Unterschriften von Arbeitgeber dem*r Arbeitnehmer*in auszuhändigen.
Der Arbeitgeber muss den Mindestlohn in jedem Fall zahlen, auch wenn er mit der Leistung des Arbeitnehmers nicht zufrieden ist. Wenn eine Reinigungskraft zum Beispiel weniger Zimmer pro Arbeitstag reinigt, hat sie trotzdem Anspruch auf den Mindestlohn, und zwar auf den gesetzlichen, wenn sie in einem Privathaushalt tätig ist, oder auf den tariflichen, wenn sie in einem Reinigungsbetrieb beschäftigt ist.
Zur Sicherheit sollte ein*e Arbeitnehmer*in einen Arbeitszeitkalender führen, also zum Beispiel Zettel mit dem Datum und den geleisteten Arbeitsstunden. Man kann auch Fotos von den gereinigten Objekten mit eigenem Handy als Nachweis machen. Der Arbeitszeitkalender sollte vom Chef oder Vorarbeiter unterschrieben werden. Wenn das nicht möglich ist, reicht auch die Unterschrift von einem Arbeitskollegen. Je mehr Beweise man hat, umso größer sind die Chancen, später den Lohn ausgezahlt zu bekommen.
Unterstützung und Rechtshilfen
Wenn der Arbeitgeber den vereinbarten Lohn nicht zahlt, sollte ein*e Arbeitnehmer*in ihn sofort schriftlich zur Zahlung des nicht gezahlten Lohnes auffordern. Es wird empfohlen, für die Zahlung eine Frist von zwei Wochen zu setzen. Im Begleitschreiben sollte der*die Arbeitnehmer*in die geleistete Arbeitszeit, die geschuldete Lohnsumme und die eigene Kontoverbindung angeben.
Aus §23 des Rahmentarifvertrags in der gewerblichen Gebäudereinigung ist zu entnehmen: „Alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis… verfallen, wenn sie nicht innerhalb von zwei Monaten nach ihrer Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden. Lehnt die Gegenpartei den Anspruch ab oder erklärt sie sich nicht innerhalb von zwei Wochen nach der Geltendmachung des Anspruches, so verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb von zwei Monaten nach der Ablehnung oder dem Fristablauf gerichtlich geltend gemacht wird“.
Wenn der Arbeitgeber trotz Zahlungsaufforderung innerhalb von zwei Wochen nicht reagiert und den geschuldeten Lohn weiterhin nicht zahlt, sollten Arbeitnehmer*innen eine formale Klage beim Arbeitsgericht anstrengen – einen Anwalt oder eine Anwältin benötigt man nicht. Übrigens, in der Rechtsantragsstelle gibt es keine eigenen Dolmetscher. Falls Arbeitnehmer*innen keine ausreichenden Deutschkenntnisse haben, können sie entweder eine/n Bekannte/n oder einen professionellen Dolmetscher mitbringen, der für sie übersetzt. Falls die Klage angenommen wird und ein Gerichtsprozess stattfindet, kann auf Antrag von dem*der Arbeitnehmer*in ein beeidigter Dolmetscher hinzugezogen werden, um so dem Gerichtsprozess folgen zu können.
Tipp: Alternativ besteht die Möglichkeit, sich vor einer Arbeitsvertrags-Unterschrift, einer schriftlichen Lohnmahnung oder dem Gang zum Arbeitsgericht Unterstützung zu holen, zum Beispiel in der Beratungsstelle Arbeit im cuba in Münsters Achtermannstraße. Die Mitarbeiter*innen sprechen Deutsch und Englisch und im Bedarfsfall können sie auch einen kostenlosen Dolmetscher für die Beratung besorgen.
Gewerkschaften klären ihre Mitglieder über ihre Rechte auf und helfen juristisch bei Problemen am Arbeitsplatz. Für Arbeiter*innen in der Gebäudereinigung sind diese beiden Gewerkschaften zuständig: Ver.di oder IG BAU. Die Gewerkschaftshilfe wird durch Mitgliedsbeiträge finanziert. Die Mitgliedschaft in der IG BAU kostet 1,15 Prozent vom Brutto-Monatseinkommen, die in Verdi 1,0 Prozent. Beim Bezug von Rente, Elterngeld, Krankengeld sowie bei Erwerbslosigkeit verringert sich der ver.di-Beitrag auf nur noch 0,5 Prozent der aufgezählten Monatseinkünfte.
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